39. Sendung mit Olivia Hyunsin Kim zu Gast bei KRAUTHAUSEN – face to face

Shownotes

Zu Gast bei KRAUTHAUSEN – face to face: Olivia Hyunsin Kim, Choreografin und Performerin.
Wir sprechen über ihren Werdegang, ihre aktuellen Stücke und die Herausforderungen in der freien Performance-Szene. Hyunsin Kim thematisiert die fehlende Repräsentation und die strukturellen Barrieren für asiatisch gelesene Künstler*innen sowie für Menschen mit Behinderung. Sie erzählt von ihrer Arbeit an intersektionalen, queer-feministischen und postkolonialen Narrativen und zeigt auf, wie wichtig es ist, marginalisierte Perspektiven sichtbar zu machen. Zudem diskutieren wir die prekären Arbeitsbedingungen in der freien Szene und die Notwendigkeit nachhaltiger Förderstrukturen.

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00:00:00: Herzlich willkommen zu einer weiteren Folge

00:00:02: von >Krauthausen - face to face<.

00:00:04: Heute mit der Choreographin und Performerin Olivia Hyunsin Kim.

00:00:21: Du wolltest als Kind immer Schauspielerin werden.

00:00:24: Jetzt bist du Choreographin und Performerin.

00:00:28: Wie genau kommt man zu so einem Beruf?

00:00:31: Schauspielerin - den Traum habe ich nicht weiterverfolgt,

00:00:37: weil ich gemerkt habe, dass es in Deutschland

00:00:41: sehr limitierte Rollen für Menschen wie mich gibt.

00:00:44: Besonders ein sehr stereotypes Bild von asiatisch gelesenen Frauen.

00:00:50: Und es ist okay, wenn es eine Diversität und Bandbreite

00:00:53: von Rollen geben würde.

00:00:55: Aber wenn es nur Zwei gibt, entweder die asiatische Prostituierte

00:00:59: oder die asiatische Chinanudel-Verkäuferin.

00:01:03: Das hat mir nicht gefallen und deswegen bin ich mehr und mehr

00:01:06: in die freie Szene und in die Per- formance Tanz-Szene reingerutscht.

00:01:11: Ich wollte auch nach diesen Erfahrungen im Filmbereich,

00:01:17: aber auch im Sprech-Theater Bereich mehr Autor:innenschaft haben,

00:01:21: über die Sachen, die ich machen möchte und die Themen,

00:01:24: die ich ansprechen möchte.

00:01:27: Wo ich gemerkt habe, dass es noch sehr viel Aufholbedarf

00:01:31: bei Themen wie verschiedene Diskriminierungen einfach gibt.

00:01:36: Ist dann Performerin zu sein, so eine Art Befreiungsschlag gewesen?

00:01:42: Dass man nicht nur die Schauspielerin ist,

00:01:45: sondern auch die Regisseurin, die Autorin?

00:01:48: Sprechen, tanzen, spielen, Musik machen, alles in einem ist?

00:01:53: Jein würde ich sagen, weil lange Zeit habe ich daran geglaubt,

00:01:57: dass es befreiender ist, in dem Sinne auch, dass mir keine Rollen

00:02:00: zugeschrieben werden.

00:02:02: Aber dann habe ich natürlich auch gemerkt, dass auch im Tanz

00:02:04: und Performancebereich es weiterhin stereotypische Darstellungen,

00:02:08: nur anders, vielleicht subtiler, gibt und das hat mich dann aber

00:02:13: zu den Themen gebracht, die ich glaube, in den letzten Jahren

00:02:17: als Stücke verarbeitet habe.

00:02:19: Wo ich auch gemerkt habe: Das ist kein individuelles Thema.

00:02:23: Das sind keine individuellen Pro- bleme, wie es mir immer gesagt wird,

00:02:27: sondern es ist ein strukturelles Problem, das existiert

00:02:30: und das möchte ich ansprechen.

00:02:33: Da war so der Wunsch, nochmal dass es dann in die Richtung ging.

00:02:38: Ich würde auch sagen, es ist anders, aber trotzdem auch diskriminierend.

00:02:43: Gerade aber in der Struktur, in der ich bin,

00:02:47: mit meinen Kollaborateur:innen, ist es für uns eine gute Basis,

00:02:53: nochmal die Sachen ansprechen zu können, die wir wollen

00:02:56: und auch wie wir wollen und wie wir miteinander arbeiten wollen.

00:03:00: Aber natürlich sind wir auch in der freien Szene hauptsächlich.

00:03:03: Das ist auch nochmal die prekärere Szene.

00:03:05: Also die Szene, die weniger Finanzierungen hat.

00:03:11: Aber es gibt auch mehr Freiheit und Spielräume für uns.

00:03:14: Das aktuelle Stück, das du meinst, heißt >Baby, I´m sick tonight<.

00:03:18: Kann man sich vielleicht schon unter dem Titel die eine oder andere

00:03:21: Sache drunter vorstellen, aber ihr wollt ja mehr damit ausdrücken.

00:03:26: In dem Stück geht es um verschiedene Intersektionen

00:03:31: und auch ist es das erste Stück, das explizit Ableismus anspricht.

00:03:36: Weil ich unter verschiedenen chronischen Erkrankungen

00:03:39: und dadurch auch oft unsichtbaren, aber manchmal auch sichtbaren

00:03:42: Behinderungen lebe.

00:03:44: Und es war ein Wunsch von mir, dass es mehr Räume gibt,

00:03:49: wo die Intersektion, wie zum Beispiel Queersein

00:03:53: oder auch chronisch krank, slash, behindert sein

00:03:57: oder von Rassismus betroffen sein.

00:03:59: Wo diese Sachen zusammenkommen können.

00:04:02: Und in meiner Erfahrung, die ich bis jetzt gemacht habe,

00:04:05: gab es leider nicht so viele Räume.

00:04:07: Es ist sehr geteilt, entweder du bist queer.

00:04:10: Entweder bist du Black Indigenous or people of color.

00:04:14: Oder du bist behindert.

00:04:17: Oft suchen wir in den Stücken nach Alternativen.

00:04:23: Für mich oder für unser Team, in dem auch fast alle chronisch krank sind

00:04:29: oder neurodivergent oder auch taub.

00:04:34: Da wollten wir versuchen, einen Raum, aber auch humorvoll,

00:04:38: anhand von Standup Comedy, damit umzugehen und auch von

00:04:45: sozusagen -

00:04:46: Es gibt diese Jungfrauen-Monster in der koreanischen Kultur.

00:04:50: Denen etwas ganz Schlimmes passiert ist,

00:04:53: deswegen können sie weder ins Diesseits oder ins Jenseits sein.

00:04:56: Diese Figuren auch in einer patri- archalen Gesellschaft aufzufangen

00:05:00: und nochmal neu zu besetzen und dann zu schauen,

00:05:04: wie das alles zusammenkommt.

00:05:06: Deine Stücke greifen nicht nur den Ableismus auf,

00:05:10: sondern auch intersektionale queer-feministische

00:05:13: und postkoloniale Narrative.

00:05:16: Was für viele Zuhörer:innen, Zuschauer:innen vielleicht ein

00:05:20: nicht so geläufiges Wort ist.

00:05:22: Magst du kurz erklären, worum es dabei geht?

00:05:26: Es geht darum, dass wir von verschiedenen Perspektiven,

00:05:31: die nicht als die Norm gelten, versuchen, an Stücke ranzugehen.

00:05:35: Ich denke immer: Wie wird die eine Geschichte erzählt,

00:05:40: der eine Geschichtsstrang

00:05:42: und das ist oft eine sehr westeuropäische Sicht.

00:05:46: Was meine Eltern erlebt haben oder teils auch was ich

00:05:50: durch die Geschichte meiner Familie erlebt habe, ist eine andere Sicht.

00:05:54: Es gibt natürlich eine Hierarchie.

00:05:57: Was wird in die Geschichtsbücher eingetragen?

00:05:59: Oft habe ich schon als Kind gemerkt, wie die Geschichten

00:06:05: in den Gemeinschaften, in denen ich bin,

00:06:09: als minderwertig betrachtet werden und nicht wichtig genug,

00:06:13: sie in Geschichtsbüchern einzubringen.

00:06:17: Und das Kolonialismus nicht am Anfang des 20. Jahrhunderts

00:06:20: abgeschaffen wurde.

00:06:21: Sondern dass es weiterhin eigentlich auf uns wirkt.

00:06:24: Zum Beispiel das Land meiner Eltern.

00:06:28: Und wo auch meine Herkunft ist, ist Südkorea.

00:06:30: Und dieses Land ist im Waffenstillstand seit 1953.

00:06:35: Wurde nicht geteilt, weil sie sich teilen wollten,

00:06:38: mit Nordkorea und Südkorea sondern wurde einfach durch westliche -

00:06:43: Und auch den Kolonialismus durch Japan geteilt,

00:06:46: das beeinflusst uns sehr, dass wir einfach im Krieg sind

00:06:48: und der Krieg ist nicht zu Ende.

00:06:50: Familien sind gespalten und sterben.

00:06:53: Diese Realität ist halt nicht zu Ende.

00:06:55: Das versuche ich in den Stücken aufzuzeigen,

00:06:58: dass es eine Kontinuität gibt.

00:07:01: Als ich es las mit dem Postkolonialismus,

00:07:04: kann man niemals vergleichen,

00:07:06: meine Eltern sind in Südamerika aufgewachsen,

00:07:09: aber meine Mutter ist Deutsche

00:07:11: und ich kann mich erinnern, in der 7. oder 8. Klasse,

00:07:15: wir hatten Geschichtsunterricht und ich hatte eine Prüfung zu schreiben.

00:07:20: Ich hatte meine Mutter um Hilfe gebeten.

00:07:22: Sie sagte zu mir: Ich kann dir nicht helfen, ich kenne die deutsche

00:07:25: Geschichte nicht, ich kann dir aber alles über die Inkas sagen.

00:07:29: Weil sie eben in Südamerika zur Schule gegangen ist.

00:07:31: Das fand ich so interessant, da war mir zum ersten Mal klar,

00:07:35: dass das, was wir in unseren Schulbüchern lesen,

00:07:37: auch nur unsere Perspektive ist.

00:07:41: Und es ist auch so unbedeutend im Vergleich.

00:07:44: Wenn du auf einem anderen Kontinent aufwächst, da ist es egal,

00:07:47: wer hier König war.

00:07:50: In >Baby, I´m sich tonight< was wichtig war, war halt auch

00:07:53: das Thema Euthanasie, das es in Deutschland sehr präsent gab.

00:07:59: Es gibt eine Szene, die ich sehr mag, wo Hyemi das nochmal erläutert.

00:08:04: Und die meisten Menschen, die im Publikum sitzen, wissen das nicht.

00:08:09: Was mit tauben Menschen, mit Men- schen mit Behinderung passiert ist.

00:08:15: Aber auch, dass es Roma und Sintiza gab oder auch Chines:innen,

00:08:19: die ins Konzentrationslager - schwarze Menschen,

00:08:21: dass sie auch umgebracht worden sind Konzentrationslagern.

00:08:24: So viele wissen es nicht, weil die Geschichte -

00:08:27: Und es ist wichtig, das aufzugrei- fen, natürlich, was Deutschland

00:08:31: gegenüber den jüdischen Menschen gemacht hat, als Nazistaat.

00:08:36: Und zeitgleich auch die anderen Verbrechen aufzubringen

00:08:40: und aufzuzeigen, was eigentlich passiert ist.

00:08:42: Da gibt es noch so viel Unwissen.

00:08:45: Es gibt die eine Szene, wo Hemi sagt, dass die Polizei wissen wollte

00:08:49: wer taub ist und wer nicht,

00:08:50: damit sie sich die Menschen schnappen können.

00:08:53: Dass sie einfach in der Menge reingerufen haben und die Menschen,

00:08:57: die weitergegangen sind, wurden dann abgeführt ins Konzentrationslager.

00:09:01: Oder ins Krankenhaus.

00:09:03: In den Geschichtsbüchern kommt das in der Art nicht vor.

00:09:06: Es ist vielleicht ein Satz.

00:09:08: Aber nicht diese Komplexität, was bedeutet das eigentlich?

00:09:11: So ein Programm zu haben.

00:09:13: Was bedeutet es eigentlich, den Holocaust hier gehabt zu haben?

00:09:16: Was ist das für eine Realität?

00:09:18: - Gerade in Zeiten wie diesen. - Ja, genau.

00:09:21: Wir nicht vergessen dürfen, wo der Rechtsruck ins ganz Europa,

00:09:24: auf der ganzen Welt, spürbar wird.

00:09:28: Das letzte Stück, das du erwähnt hast, das heißt

00:09:32: >Baby, I´m sick tonight< und da schauen wir uns was draus an.

00:10:17: Und go.

00:11:07: Schon wieder Blumen von seiner Majestät?

00:11:09: Seine Majestät hat den hiesigen Gärtner beauftragt

00:11:13: Eure Majestät täglich die schönsten Blumen zu bringen.

00:11:18: Wenn ich nur wüsste, wie ich dem Kaiser eine Freude machen kann.

00:11:22: Indem Majestät so schnell wie möglich gesund werden.

00:11:32: Wenn es nur in meiner Macht stünde!

00:11:39: Nun sind wir schon wochenlang hier

00:11:42: und mein Zustand hat sich immer noch nicht gebessert.

00:11:44: So schnell geht das nicht, Eure Majestät.

00:11:47: Majestät müssen sich erst an das Klima gewöhnen.

00:11:51: Ich glaube eher an den Gedanken, nie wieder gesund zu werden.

00:11:56: Aber Majestät!

00:12:01: Ich weiß schon, wie es um mich bestellt ist.

00:12:07: Und cut!

00:13:09: Und cut!

00:13:22: Und go!

00:13:26: Ich möchte diese Möglichkeit dazu nutzen, persönlich Dank zu sagen.

00:13:30: Für all die wunderbaren Zeichen der Unterstützung und ihr Verständnis,

00:13:34: seit ich mich von der Operation erhole.

00:13:37: Es waren unglaublich harte Monate für unsere ganze Familie.

00:13:41: Doch mein medizinisches Team war fantastisch

00:13:43: und hat sich sehr um mich bemüht - dafür bin ich sehr dankbar.

00:13:47: Du hast gerade gesagt, ihr seid in der freien Szene aktiv,

00:13:51: die ja sowieso schon prekärer arbeitet, als die festen Ensembles.

00:13:57: Und Performer:innen an Theatern und auf Bühnen.

00:14:00: Und dann bearbeitet man ja auch noch die eigenen Themen.

00:14:04: Die ja oft vielleicht auch mehr Zeit brauchen,

00:14:07: auch weil man weniger Kraft hat.

00:14:09: Was man ja auch oft crip time nennt. Behinderungsbedingter Mehraufwand.

00:14:14: Und der wird dann nicht bezahlt.

00:14:17: Das heißt, man leistet ja eine doppelte und dreifache Arbeit.

00:14:21: Und muss dann noch etwas liefern, auf die Bühne gebracht.

00:14:24: Obwohl eigentlich schon die Arbeit genug gewesen ist.

00:14:27: - Das macht ja quasi noch prekärer. - Das ist eine gute Frage, genau.

00:14:32: Zum Glück haben wir die Kondition, dass wir alle, die im Team sind,

00:14:36: in besseren Verhältnissen bezahlen können.

00:14:39: Aber es stimmt, es wird -

00:14:43: Wir stellen einen Antrag eineinhalb Jahre bis zu einem Jahr vorher.

00:14:47: Das ist unbezahlte Arbeit.

00:14:49: Und diesmal konnten wir alle Stücke mit Gebärden Dolmetschung haben.

00:14:53: Wir hatten ein Tandem, eine hörende Dolmetscher:in

00:14:57: und eine taube Aktivistin und Designerin.

00:15:01: Die auch mit uns Zugänge Beratung

00:15:06: davor schon mitgearbeitet hat.

00:15:08: Es war ihr Debüt auf der Bühne.

00:15:12: Aber das wurde auch von unserer Seite, sozusagen dass wir

00:15:18: das wirklich wollten und finanziellen Raum schaffen.

00:15:22: Wo einerseits augmentiert wird von vielen Förderseiten:

00:15:27: Hey, ihr müsst barrierefreie Angebo- te schaffen und das ist ja auch gut.

00:15:32: Aber oft diese barrierefreien Angebote kosten pro Stunde mehr,

00:15:36: als was wir in einer Stunde verdienen.

00:15:39: Und darf nicht nur Zweimal so viel, sondern Dreimal, Viermal so viel.

00:15:44: Und das ganze Budget fällt dann auseinander sozusagen.

00:15:47: Es ist ein Dilemma. Und wir wollen das ja auch.

00:15:50: Und wir versuchen auch jedes Mal mehr barriereärmere Angebote

00:15:55: zu erschaffen, nur oft liegt das, finde ich, an den Gruppen.

00:15:59: An den freien Gruppen oder der freien Szene an den Theatern.

00:16:03: Aber was wäre, wenn es eine Selbstverständlichkeit bekommt?

00:16:06: Dann müssten wir nicht unbedingt in unserem Projektbudget

00:16:10: für dieses eine Projekt versuchen, das irgendwie zu schaffen,

00:16:15: sondern einfach als Selbstverständlichkeit -

00:16:17: Dass es immer finanziert ist.

00:16:19: Ja, dass da Strukturförderung einfach da ist.

00:16:21: Das wäre natürlich besser und das würde uns einfach Arbeitsaufwand

00:16:25: sparen, weil diese Summen hinzu- bekommen, das ist sehr viel Arbeit.

00:16:30: Du hast vorhin erzählt, dass du eigentlich Schauspielerin

00:16:33: werden wolltest, aber dann gemerkt hast,

00:16:37: dass die Vorurteile gegenüber asiatisch gelesenen Menschen

00:16:41: in Wirklichkeit an Schauspielrollen so groß sind,

00:16:44: dass man entweder die Prostituierte oder die Nudelverkäuferin ist

00:16:49: Jetzt ist man ja in einem anderen Dilemma.

00:16:51: Ich wollte nie Berufsbehinderter werden.

00:16:55: Bin jetzt Aktivist, wir reden über das Thema.

00:16:57: Es gibt eine Fernsehsendung, aber eigentlich ist alles Behinderung.

00:17:01: Jetzt bist du Performerin, du kannst zwar mehr Themen aufmachen,

00:17:04: aber das ist dann ja doch wieder irgendwie so eine Art

00:17:06: deiner Identität, Klischee, der du vielleicht auch entkommen willst.

00:17:11: Wie gehst du mit dieser Dissonanz um?

00:17:14: Ich glaube, eine Frage, die da vorkommt, ist Repräsentation.

00:17:18: Diese Repräsentation ist oft sehr bedingt, finde ich.

00:17:22: Ich werde zu einer Repräsentantin gemacht,

00:17:24: sei es von verschiedenen Gruppen oder von Intersektionen.

00:17:28: Wo ich die Repräsentantin bin. Und das bin ich nicht.

00:17:32: Ich bin nur eine von vielen.

00:17:34: Ich glaube, ich habe mir mittler- weile, wenn ich Einladungen bekomme,

00:17:38: so Kriterien aufgestellt, wo ich ein bisschen versuche zu sehen,

00:17:44: dass ich nicht ausgenutzt werde, nenne ich es mal, dass ich kein -

00:17:48: Es gibt dieses professionelle Wort Token.

00:17:51: Dass ich nicht die Vorzeigeperson bin, in dem Sinne,

00:17:55: aber auch nur vereinzelt.

00:17:57: Und wenn ich das Gefühl habe, in einer Veranstaltung,

00:18:01: sagen wir über Diversität.

00:18:02: Ich werde hauptsächlich weil ich unsichtbare Behinderungen habe,

00:18:06: für Diversität angefragt.

00:18:09: Wo ich dann schaue: Ist das in einem Museum?

00:18:12: Gibt es da noch andere Menschen, die von Marginalisierung

00:18:16: betroffen sind?

00:18:17: Wenn ja: Wie viele?

00:18:19: Oder bin ich die Einzige, die auf dem Podium über Rassismus

00:18:23: sprechen soll in der Kunst- und Kulturszene.

00:18:25: Um ein Tickchen zu machen: Ich war divers, ich war jetzt inklusiv.

00:18:30: Wir haben die Veranstaltung so gemacht.

00:18:32: Und das natürlich auch zu verhindern.

00:18:34: Beim Thema Postkolonialismus geblieben.

00:18:37: Hattet ihr euch auch in der Inszenierung >Turning Turandot< -

00:18:41: war das richtig? - an der Staats- oper in Hannover mit beschäftigt.

00:18:46: Was ist an der Oper von Puccini genau problematisch gewesen?

00:18:50: Und wie habt ihr das aufgearbeitet?

00:18:53: Am Stück Turandot ist für mich problematisch,

00:18:57: weil es gibt da den sehr exoti- sierenden Blick gegenüber China.

00:19:03: Der einerseits sehr brutal gezeigt wird und andererseits romantisch.

00:19:10: Dann gibt es die stereotypischen Abbildungen

00:19:13: von asiatischen Männern und Frauen.

00:19:17: Puccini ist zwar vor dem Ende gestorben und hat es deswegen

00:19:21: nicht gemacht, aber das populäre Ende endet darin:

00:19:24: Es geht um eine Geschichte, wo eine Prinzessin nicht heiraten möchte.

00:19:28: Die heißt Turandot. Aber sie muss heiraten.

00:19:31: Deswegen stellt sie den Prinzen immer drei Rätsel und wenn sie

00:19:34: sie nicht lösen, werden sie geköpft.

00:19:36: Aber sie hat einen guten Grund, warum sie nicht heiraten will.

00:19:38: Erstens möchte sie einfach nicht heiraten.

00:19:40: Zweitens: Eine ihrer Ahnen hatte Gewalterfahrung erlebt.

00:19:46: Und dann kommt ein Prinz und versucht dann die Rätsel zu lösen,

00:19:49: die er tut.

00:19:52: Das populärste Ende, was Puccini nicht selbst geschrieben hat,

00:19:55: endet mit einem Kuss.

00:19:57: Den er forciert auf Turandot, wobei nicht ganz klar ist,

00:20:01: ob es ein Kuss ist und dann sagt Turandot:

00:20:05: Oh, ich weiß, wie dein Name ist.

00:20:07: Weil er hatte gesagt: Wenn du meinen Namen kennst,

00:20:10: dann musst du mich nicht heiraten.

00:20:12: Dein Name ist Liebe. Und das ist die Geschichte.

00:20:16: Und sie ist weder selbstermächtigend, finde ich,

00:20:19: noch logisch.

00:20:23: Sie hat über drei Stunden gesagt: Nein, ich heirate nicht.

00:20:26: Und dann ein forcierter Kuss sagt: Ah, dein Name ist Liebe.

00:20:30: Und ich bin jetzt froh darüber.

00:20:32: Dann gibt es mittendrin noch eine Sklavin,

00:20:34: die sich für den Prinzen aufopfert und Selbstmord begeht.

00:20:38: Um seinen Namen nicht preiszugeben. Die Sklavin Liu.

00:20:43: Und in den Gesangstexte, die gesungen werden.

00:20:48: Turandot ist auch nichts. Wenn du sie ausziehst,

00:20:50: ist sie nur nacktes Fleisch.

00:20:52: Gibt es sehr viele verschiedene Problematiken.

00:20:55: Und die wollten wir halt aufgreifen, aber anhand eines Klassikers.

00:20:59: Den viele Menschen auch lieben.

00:21:02: Und wo Klassiker auch oft zu der Sparte gehören,

00:21:05: die du nicht anfassen darfst - Klassiker sind Klassiker.

00:21:10: Also bitte nichts daran ändern. Die sind heilig.

00:21:13: Und für mich sind die nicht heilig.

00:21:15: Die sind genauso wie >viva< und >m-tv< Musikvideos,

00:21:19: die ich gesehen habe - sie sind einfach eine Sache.

00:21:21: Aber das war, obwohl wir viel Rük- kenwind von der Intendantin hatten,

00:21:28: und sie uns den Rücken gestärkt hat, war es -

00:21:30: Wir waren ein künstlerisches Team, das ein queeres Team war,

00:21:33: wo es zwei nichtbinäre Menschen gibt und zwei weiblich gelesene

00:21:37: Menschen und zwei davon sind auch People of Color

00:21:41: und zwei davon sind auch von chronischen Erkrankungen betroffen.

00:21:45: Das ist eine Team-Konstellation, die es sonst an der Oper nie gibt.

00:21:48: Das war skandalös und hat uns teils auch leider sehr viel Energie

00:21:54: gekostet, die wir lieber in den künstlerischen Prozess reingebracht

00:21:58: hätten, als teils auch Aufklärungsarbeit zu leisten.

00:22:03: Weil dieses Stück hat dann doch nochmal in Sachen Rassismus

00:22:07: und Gender in der Genderdebatte, weil alle Gender waren getauscht.

00:22:12: Hatte dann nochmal elne Debatte mitreingebracht,

00:22:16: die viele Menschen, wo ich gemerkt habe, auch vermisst habe.

00:22:19: Warum es nicht diese Perspektive gab.

00:22:22: Warum z. B. bei asiatischen Frauen sie sich nicht auf

00:22:27: die eine große Hauptrolle konzen- trieren sollten, sondern eher auf

00:22:31: Fabelwesen.

00:22:32: Und was hat es mit der Dandarakim auf sich?

00:22:36: Dandara im Koreanischen eigentlich eine umgangssprachliche

00:22:41: Redewendung für Künstler:innen.

00:22:43: Als sie noch Nomaden waren in Korea und von Dorf zu Dorf gezogen sind,

00:22:49: teils auch kritisch gegenüber dem Regime sein konnten,

00:22:54: in dem Kunstrahmen und Fragen aufgeworfen hatten.

00:22:57: Aber auch als sehr lustig und leicht betrachtet werden.

00:23:01: Ich wollte das Wort ein bisschen einnehmen und schon verschärfen,

00:23:05: wie ich kritisch sein kann, mit der Gruppe,

00:23:08: mit den Künstler:innen, mit denen ich arbeite,

00:23:10: aber auch weiterhin humorvoll.

00:23:12: Aber ein Humor, der auch scharfkantig sein kann.

00:23:15: Wo es auch unbequem ist, diesen Humor auszuhalten.

00:23:18: Und das ist so eine Art Kollektiv?

00:23:21: Genau. Wir sind gerade der Kern, das sind drei Menschen,

00:23:24: mit denen ich zusammenarbeite, Jones Seitz und auch Christin Gerwien

00:23:29: und dann kommen noch verschiedene Künstler:innen,

00:23:32: mit denen wir schon mal gearbeitet haben

00:23:34: oder mit denen wir noch nicht zusammengearbeitet haben, dazu.

00:23:37: Wir sehen es so als loses Netzwerk.

00:23:40: Wir sind nicht verheiratet, wir sind in einer offenen Beziehung.

00:23:45: So sehen wir das ein bisschen.

00:23:47: Gibt es denn trotzdem wahrschein- lich, weil du die Performerin bist,

00:23:53: weil du die Choreographin bist, ein Großteil der Arbeit bei dir liegt.

00:23:57: Du musst die Anträge schreiben, du musst die Termine finden,

00:24:01: koordinieren - wird das auch gewertschätzt von der Community?

00:24:06: Ja, ich glaube, in dem engen Kreis, in dem ich bin, schon und ich habe

00:24:09: grad auch sehr mit Erschöpfung zu kämpfen, muss ich sagen.

00:24:13: Und auch wegen dem, dass meine Krankheiten fortschreiten.

00:24:18: Und es nicht mehr so unsichtbar bleibt.

00:24:20: Und ich es auch trotz meines Perfektionismus,

00:24:23: was ich jahrelang versucht habe, nicht mehr ganz verstecken kann.

00:24:26: Und auch nicht mehr möchte.

00:24:28: Gibt es schon sehr viel Verständnis. Und auch Lernerfahrungen dadurch.

00:24:34: Eigentlich gemeinsam.

00:24:35: Ich versuche auch den Perfektionismus zu verlassen.

00:24:41: Und mehr und mehr Sachen zu teilen, besonders in der Kerngruppe.

00:24:45: Oder auch mal krank zu sein. Das war für mich unmöglich vorher.

00:24:49: Das habe ich erst vor drei Jahren geschafft.

00:24:51: Grad als Freischaffender.

00:24:52: Krank als Freischaffende zu sein und auch mal nicht zu den Proben

00:24:57: kommen zu können.

00:24:59: Das war davor gar nicht vorher eine Option für mich.

00:25:04: Weil wenn du als asiatisches Kind hier, in dieser weißen Gesellschaft

00:25:09: aufwächst und deine Eltern dir sagen: Fall bloß nicht auf.

00:25:12: Aber du musst die Beste sein.

00:25:14: Weil sonst sagen sie am Ende des Tages, dass die asiatischen Kinder

00:25:17: faul sind oder was auch immer.

00:25:19: Oder wie ihr denen was wegnehmt.

00:25:21: Und ich weiß, dass sie es gut meinten und ihr Bestes getan haben

00:25:26: und mich eigentlich schützen wollten.

00:25:28: Dadurch ist es sehr schwierig, diesen Perfektionismus,

00:25:31: dieses Verstecken, davon, dass du eigentlich krank bist, loszulassen.

00:25:36: Ich glaube, da gibt es auch noch sehr viel Arbeit an mir selbst.

00:25:39: Die ich auch Schritt für Schritt versuche.

00:25:42: - Es gibt noch so viel zu tun. - Ich weiß.

00:25:44: Und so viel zu besprechen. Aber eine Frage habe ich dann doch noch.

00:25:49: Die ich jedem Gast stelle.

00:25:51: Die Gäste dürfen ein Mitbringsel mitbringen.

00:25:54: Das soll irgendetwas Persönliches sein.

00:25:56: Was hast du mitgebracht?

00:25:58: Ich habe diese Tasche mitgebracht.

00:26:00: Es geht nicht selbst um diese Ta- sche, diese pinke Tasche mit Sternen

00:26:05: die ich irgendwann kostenlos bekommen habe, aus Südkorea.

00:26:08: Sehe ich da gerade.

00:26:10: Sondern dass ich sehr viele Taschen habe.

00:26:13: Wo einfach alles drin ist, was ich brauche.

00:26:15: Nicht alles, aber fast alles.

00:26:18: Medikamente, Sprays, verschiedene Sachen.

00:26:22: Die mir einfach helfen, mich im Alltag zu navigieren.

00:26:26: Du siehst nicht genau, was da drin ist.

00:26:28: Aber du musst auch irgendwie immer vorbereitet sein.

00:26:33: Ist das dieses Päckchen, das wir alle tragen?

00:26:36: Und du hast vielleicht Päckchen mehr?

00:26:38: Genau. Ich glaube, das ist es ein bisschen.

00:26:40: Ich sehe es auch nicht unbedingt negativ,

00:26:42: es ist einfach ein Teil von mir, aber es gibt diese Tasche.

00:26:45: Und nicht viele Menschen wissen, wenn sie mich sehen,

00:26:47: dass es diese Tasche in meiner Tasche gibt.

00:26:50: Aber ich brauche einfach diese Tasche.

00:26:53: Da sind auch nicht nur Medikamente und Sprays drin,

00:26:57: sondern auch verschiedene Öle oder Steine.

00:26:59: Aber einfach, dass ich navigieren kann in dieser normativen,

00:27:03: ableistischen Welt.

00:27:05: - Überleben? - Ja, auch überleben.

00:27:08: Aber auch Bewusstheit, dass ich was habe, was ich dann mir holen kann.

00:27:14: Ich habe das auch. Ich habe keine Tasche, ich habe Kisten.

00:27:17: Die kann ich hinten auf dem Rollstuhl übereinander stapeln.

00:27:22: Eine Kiste ist okay.

00:27:24: Wenn ich reise, sind es zwei Kisten und dann werde ich sehr oft

00:27:27: gefragt: Was ist da drin?

00:27:32: Ich habe sehr vieles dabei, was ich gar nicht brauche.

00:27:35: Aber zu wissen, dass ich es dabei habe, gibt mir Sicherheit.

00:27:39: Ja.

00:27:40: Zum Beispiel ein Verlängerungskabel.

00:27:42: Für deine Geräte, die du brauchst. Rollstuhl aufladen.

00:27:48: Wenn ich jetzt jedes Gerät da drin erklären müsste,

00:27:51: kommen wir ja nie zum Ende.

00:27:53: Brauche ich nicht immer, die Verlängerungsschnur.

00:27:55: Aber richtig doof ist, wenn ich keine habe.

00:27:59: Liebe Hyunsin, das war so schön!

00:28:01: Ja, vielen Dank dir auch! Danke dir.

00:28:05: Das müssen wir hier oder an anderer Stelle fortsetzen.

00:28:08: Ja, lass uns das gerne machen, das würde mich freuen.

00:28:11: Vielen Dank auch an das gesamte Team und an dich,

00:28:14: dass du das auch so knallhart durchziehst, finde ich toll.

00:28:18: Mir macht das große Freude. Und ich lerne tatsächlich eine Menge.

00:28:23: Das war es auch schon wieder. Bis zum nächsten Mal.

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