36. Sendung mit Ulrich Hartmann zu Gast bei KRAUTHAUSEN – face to face

Shownotes

Ulrich Hartmann ist Musiker, Moderator und Aktivist, der in Berlin lebt. Er studierte u. a. Musik an der Popakademie und ist bei der „Aktion Luftsprung“ tätig, einer Stiftung, die sich dem künstlerischen und beruflichen Einstieg chronisch erkrankter Menschen widmet. Als Profimusiker leitet er mit seinen Erfahrungen und seinem musikalischen Talent das Projekt Projekt „Luftsprung Live“, das chronisch erkrankten Menschen hilft, ihre musikalischen Fähigkeiten zu entwickeln und professionelle Musikkarrieren zu verfolgen. Ulrich Hartmann solo tritt live und auf Social Media als „Ulla“ auf. Über all das und die transformative Kraft der Musik, die Menschen über ihre Krankheit hinaus erhebt und ihnen eine Plattform bietet, spricht er mit Raúl Krauthausen.

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00:00:00: Hallo und herzlich Willkommen zu einer weiteren Folge ...

00:00:02: von "Krauthausen - face to face", in der Nähe vom Berliner Hauptbahnhof.

00:00:07: Heute habe ich einen ganz besonderen Gast.

00:00:09: Er ist Musiker, Moderator und Ulrich Hartmann.

00:00:25: Schön, dass du da bist. Wir kennen uns privat.

00:00:28: Aber du bist nicht nur, weil wir gu- te Freunde sind, in dieser Sendung,

00:00:32: sondern du bist vor allem hier zu Gast,

00:00:34: weil du dich in der Aktion "Luftsprung" ganz stark engagierst.

00:00:39: Wer oder was genau ist die Aktion "Luftsprung"?

00:00:42: Hallo Raul, schön, dass ich da sein darf.

00:00:45: Sehr gerne.

00:00:46: Die Aktion "Luftsprung" ist eine Stiftung aus Frankfurt.

00:00:48: Die hat sich vor elf Jahren gegründet.

00:00:50: Im Grunde ging es anfangs in erster Linie um Berufseinstiegshilfe

00:00:54: für chronisch erkrankte Menschen, mit Fokus auf Mukoviszidose.

00:00:57: Das haben wir im Laufe der Jahre ausgeweitet ...

00:00:59: auf viele chronische Erkrankungen.

00:01:01: 2018 haben ein Musikprojekt gegründet,

00:01:04: weil unser Stifter ein großer Musikliebhaber ist.

00:01:07: Und ich Musik studiert habe. Da ist "Luftsprung Live" entstanden.

00:01:10: Das darf ich seither leiten und wir bringen MusikerInnen ...

00:01:13: aus ganz Deutschland zusammen mit chronischen Erkrankungen.

00:01:17: Wir schaffen Bühnen und machen zusammen Musik.

00:01:19: Und bieten chronisch erkrankten Menschen einen Einstieg ...

00:01:23: in die Musikbranche.

00:01:24: Aber bevor jetzt hier ein falscher Eindruck entsteht,

00:01:26: ihr macht nicht einfach eine kleine Singgruppe,

00:01:30: sondern das ist schon alles profes- sionell aufgesetzt, bei euch.

00:01:34: Wir haben schon einen gewissen Anspruch auf professioneller Ebene,

00:01:38: oder semi-professioneller Ebene Musik zu machen.

00:01:40: Allerdings ist es nicht Voraus- setzung, sich bei uns zu bewerben,

00:01:44: professionell Musik zu machen.

00:01:45: Das Einzige, was man braucht, ist eben eine chronische Erkrankung,

00:01:48: Bock auf Musik, Lust auf eine Gruppe - das ist alles.

00:01:51: Aber wir haben eben professionelle Dozenten,

00:01:54: die dann auch helfen, das Niveau ein Stück weit anzuheben.

00:01:57: Und als die Corona-Pandemie war und wir alle im Lockdown saßen ...

00:02:01: und uns nur noch auf Zoom-Bildschirmen begegnet sind,

00:02:04: was hat das mit "Luftsprung Live" gemacht, wie funktionierte das?

00:02:08: Corona war natürlich eine Heraus- forderung, weil im Grunde unser ...

00:02:11: Geschäftsmodell einfach ausge- schaltet wurde, sich live treffen,

00:02:14: Musik machen.

00:02:16: Wir haben dann aber nach einer Lösung gesucht und auch gefunden.

00:02:19: Wir sind einfach ins Internet ausgewichen.

00:02:22: Zuerst haben wir Online-Workshops gemacht.

00:02:25: Später sind wir dazu übergegangen, Musikvideos zu produzieren.

00:02:29: Das heißt, wir haben die Arrange- ments, die unsere Dozenten sowieso

00:02:32: geschrieben haben, einfach an die Band-MusikerInnen verschickt,

00:02:35: die haben dann zuhause ihre Stimme eingespielt,

00:02:37: haben sich dabei gefilmt, dann haben sie uns das wieder geschickt

00:02:40: und wir haben das dann produziert und zusammengefügt

00:02:43: und dann sehr schöne Musik-Videos gemacht.

00:02:44: Quasi collagenartig aus den Videos, die wir von den TeilnehmerInnen

00:02:47: bekommen haben.

00:02:49: Und jetzt langsam kann man sich wieder treffen und seit 2023

00:02:53: tretet ihr wieder vor Ort in Berlin auf. Hin und wieder.

00:02:57: Wir machen unsere Konzerte hauptsächlich in Neukölln.

00:03:01: Da gibt es einen kleinen Späti-Laden in der Kienitzer Straße.

00:03:03: Das ist aber nicht nur ein kleiner Kiosk, wie man die Spätis kennt,

00:03:06: sondern da ist auch ein größerer Gemeinschaftsraum angeschlossen.

00:03:09: Da proben wir. Lernen mittlerweile kleinere Gruppen ein.

00:03:12: Von drei bis sechs MusikerInnen.

00:03:15: Samstags machen wir gemeinsam eine Probe und am Sonntag wird das

00:03:19: dann mittags aufgeführt.

00:03:21: In so einer Wohnzimmer-Atmosphäre im Späti selber.

00:03:24: Ist es dann eine feststehende Band, die sich dann von Mal zu Mal trifft

00:03:29: und weiterentwickelt oder sind das immer neu entstehende Bands?

00:03:33: Oder entstanden daraus Bands?

00:03:36: Das Prinzip ist im Grunde, dass wir einen Band-Pool sammeln,

00:03:40: MusikerInnen bewerben sich bei uns und dann sind sie im Band-Pool.

00:03:43: Der wächst stetig und besteht momentan aus 22 MusikerInnen.

00:03:47: Aus diesem Pool setzen wir jedes Mal für jeden Workshop,

00:03:50: für jeden Auftritt, den wir spielen, eine eigene Besetzung zusammen.

00:03:54: So dass jedes Mal die Band anders klingt, anders zusammengesetzt ist,

00:03:58: andere Songs gespielt werden.

00:04:00: Das ist auch ein besonderer Teil dieses Projekts.

00:04:03: Unsere Teilnehmer sind auch genre- und instrumenten-übergreifend.

00:04:06: So können wir auch jedes Mal Genres mischen.

00:04:09: Wir haben z. B. eine Metal-Gitarristin mit einem Sänger,

00:04:12: der türkische Volksmusik macht.

00:04:14: Aber dann haben wir auch Singer-SongwriterInnen dabei,

00:04:16: die eigene Songs schreiben und wir können schon lange Konzerte spielen,

00:04:20: nur mit eigenem Repertoire und mit ganz außergewöhnlichen Instrumenten,

00:04:23: die man im Popmusik-Kontext so auch nicht so oft hört.

00:04:27: Ein anderes Projekt, das da untergegliedert ist,

00:04:30: ist die "Chronische Klampfe".

00:04:34: Eine Gitarre auf Wanderung, die er am Ende, wenn sie dann

00:04:39: mal gewandert ist, versteigert - was genau ist da die Idee.

00:04:45: Die "Chronische Klampfe" ist schon von Anfang an, seit 2018, entstanden

00:04:51: Die "Chronische Klampfe" ist im Grunde eine Gitarre.

00:04:54: Mit der Gitarre besuche ich Singer-SongwriterInnen ...

00:04:56: aus Deutschland, die mit mir eine einmütige Version in dieser

00:05:00: Duo-Besetzung spielen.

00:05:03: Der oder die KünstlerIn spielt dann meistens die "Chronische Klampfe",

00:05:07: singt dazu und ich spiele mit dem Mini-Piano nebendran die Begleitung.

00:05:11: Und ihr hinterlasst dann immer eine Unterschrift auf der -

00:05:14: So sieht´s aus und am Ende ist die Gitarre wunderschön bunt ...

00:05:17: und wenn sie voll ist, wird sie versteigert.

00:05:19: Ist das jetzt die Erste oder habt ihr schon eine versteigert?

00:05:22: - Nein, das ist die Erste. - Okay.

00:05:24: Wird spannend.

00:05:51: Wen haben wir jetzt da genau gesehen?

00:05:54: Das war Reema, eine Singer-Song- writerin, die in London groß wurde.

00:05:58: Aber auch lange in Berlin gelebt hat, mit der ich gut befreundet bin.

00:06:02: Und die eben bei der "Chronischen Klampfe" mitgemacht hat.

00:06:05: Aber ich habe auch ein Jahr lang bei ihr als Pianist mitgespielt.

00:06:08: Ein sehr schönes Projekt, lohnt sich, es mal anzugucken.

00:06:10: Zusätzlich zu dieser ganzen "Luftsprung Live" Nummer,

00:06:15: bist du aber auch Moderator eines Formats, das nennt sich ...

00:06:19: "Mach Dein Ding".

00:06:20: Das ist eine Talk-Sendung, wo ihr letztendlich mit Leuten ...

00:06:25: über chronische Erkrankungen, über Inklusionsarbeit,

00:06:29: Stärken, Schwächen und vielleicht auch die Wechselwirkungen.

00:06:38: Wie wichtig ist dir diese Arbeit, als Moderator tätig zu sein?

00:06:42: Und vor allem unter dem Aspekt, dass du selber ein Betroffener bist?

00:06:46: Der "Mach Dein Ding" Talk war auch einer von diesen Formaten,

00:06:49: die während der Pandemie entstanden sind, wo wir als Stiftung ...

00:06:52: einfach nach Wegen gesucht haben, weiter Geschichten ...

00:06:55: von chronisch kranken Menschen zu erzählen.

00:06:57: Da haben wir ein Format gesucht, wie wir diese Geschichten,

00:07:00: diese Menschen, vorstellen können.

00:07:03: Da sind wir auf die Idee gekommen, ein Stiftungsfest online zu machen,

00:07:06: ist vielleicht nicht so ein Format, was irgendwie super catchy ist.

00:07:09: Aber eine Talk-Show wäre doch spannend.

00:07:12: Dann haben wir einfach eine Talk-Show produziert.

00:07:15: Und ich hatte eben die Ehre, das zu moderieren.

00:07:17: Am Anfang mit Kai Schächtele und später dann auch mit dir.

00:07:20: - Eine Folge, ja, genau. - Es waren sogar zwei Folgen.

00:07:25: Als die Förderung dann ausgegeben war, war auch die Pandemie vorbei.

00:07:29: Also haben wir das nach sechs Folgen beendet.

00:07:32: Aber ich glaube, es hat sich trotzdem sehr gelohnt.

00:07:34: Du hast vorhin gesagt, dass du sel- ber an Mukoviszidose erkrankt bist.

00:07:39: Das ist wahrscheinlich der Grund, warum du überhaupt erst zu ...

00:07:43: "Aktion Luftsprung" gestoßen bist.

00:07:46: Aber inwieweit glaubst du, ist es vielleicht sogar von Vorteil,

00:07:50: selber betroffen zu sein, um in diesem Format mit MusikerInnen ...

00:07:55: zusammen zu arbeiten?

00:07:57: Es hilft auf jeden Fall, selber eine Betroffenheit zu haben.

00:08:00: Einfach, weil man mit einer anderen Selbstverständlichkeit ...

00:08:04: und vielleicht auch mit mehr Mut über das Thema sprechen kann.

00:08:07: Ich finde das deshalb so ein spannendes Thema, weil wenn man ...

00:08:12: in einem künstlerischen Kontext unterwegs ist und arbeitet,

00:08:16: und eine Band ist ja auch Team- arbeit, dann gibt es immer jemanden,

00:08:20: der sich an die Abmachung hält oder nicht oder jemand, der besser ist

00:08:25: oder noch nicht so gut.

00:08:26: Und man dann auch viel mit Feedback arbeiten muss.

00:08:29: Und ich erlebe es ganz oft, dass Leute von außen,

00:08:33: die nicht betroffen sind, dann zu früh loben.

00:08:37: Und zu früh sagen: Das habt ihr aber alle toll gemacht.

00:08:40: Aber eigentlich war es nur ein schlechtes Triangel-Spiel.

00:08:46: Wie erlebt ihr das, wenn es um Kunstkritik geht?

00:08:51: Wir haben diese Eigenheit bei chronischen Erkrankungen,

00:08:54: im Vergleich zu anderen Behin- derungen, dass man sie nicht sieht.

00:08:58: Selbst wenn du über chronische Erkrankungen im Vornherein sprichst,

00:09:01: und die Leute wissen, sie kommen in ein Konzert,

00:09:03: wo Menschen mitspielen, die eine chronische Erkrankung haben,

00:09:06: dann ist doch die Erkrankung nicht so präsent, wenn man uns sieht.

00:09:11: Aber ich finde das einen der spannendsten Aspekte bei dem Projekt

00:09:15: und auch eines meiner größten Anliegen,

00:09:17: dass diese Erwartung gebrochen wird.

00:09:20: Deswegen ist es auch wichtig, dass wir sagen,

00:09:22: dass wir eine chronische Erkrankung haben, da entstehen Bilder im Kopf.

00:09:28: Die aus meiner eigenen Erfahrung auch sehr schnell negativ sind ...

00:09:32: oder nicht auf dem Level, wie das gesunde Menschen können.

00:09:37: Und das zu sehen, dass das komplett verschwindet, während des Konzerts.

00:09:42: Dass wir es hinbekommen können, Vorurteile beiseite zu räumen.

00:09:48: Das ist sehr reizvoll.

00:09:49: Deine eigene Laufbahn ist ja auch sehr spannend,

00:09:52: weil du hast Musik studiert in Mann- heim, vor allem mit dem Schlagzeug.

00:09:59: Warst dann an der Deutschen Pop-Akademie.

00:10:04: Erzähl uns, wie dein Studium so ablief, wie kamst du zur Musik?

00:10:08: Gute Frage. Musik gab es schon immer.

00:10:10: In meiner Familie gab es jetzt keine professionellen MusikerInnen,

00:10:15: aber wir haben alle Klavierunterricht bekommen,

00:10:18: als mein Bruder eingeschult wurde.

00:10:20: - Da war ich eben drei. - Das war der Grund, oder was?

00:10:22: Dein Bruder ist eingeschult, jetzt lernt ihr alle Klavier?

00:10:26: Mit drei habe ich nicht gesagt: Ich will Klavierspielen!

00:10:29: Sondern da war die Klavierlehrerin eh bei uns zuhause.

00:10:32: - Ah, okay. - So rum.

00:10:35: Wenn sie schon im Haus ist, warum den Knirps nicht auch ranlassen?

00:10:39: Ich musste halt von Anfang an Therapie machen,

00:10:41: vor allem die Lunge ist bei Mukoviszidose betroffen.

00:10:44: Meine Mutter war da sehr kreativ, Wege zu finden, wie man ...

00:10:46: spielerisch die Lunge trainieren kann.

00:10:48: Deshalb habe ich sehr früh Melodika-Unterricht gehabt,

00:10:51: weil du da die Atmung brauchst, um das Instrument zu spielen.

00:10:53: Das ist das Klavier zum Reinpusten.

00:10:57: Das ist noch ein wichtiger Teil meines Setups.

00:11:00: Mit sechs hatte ich dann Schlagzeug-Unterricht.

00:11:02: Das war das Instrument, das ich wirklich lernen wollte.

00:11:05: Dann hatte ich mit 16 einen Jazz-Klavierlehrer,

00:11:08: wo ich das Gefühl hatte: Das macht Bock!

00:11:10: Gleichzeitig bin ich noch in die Schulband rein.

00:11:13: Statt Blasorchester-Kontext hatten wir Punk-Musik.

00:11:16: Und dann war es auf einmal: Whoa, das macht Bock!

00:11:19: Dann war meine Mutter sehr mutig und hat gesagt:

00:11:21: Wenn du studieren willst - man muss sich vorstellen,

00:11:24: ich war sehr krank gewesen mit 16 und bin danach nicht wieder richtig

00:11:28: wieder in den Tritt gekommen.

00:11:29: Ich war im Krankenhaus, musste sehr viel Kortison nehmen

00:11:32: und es ging mir wirklich nicht gut.

00:11:33: Aber meine Mutter sagte: Wenn du wirklich Musik machen willst,

00:11:36: dann brech´ doch die Schule ab.

00:11:37: Und das war ein entscheidender Moment und auch sehr mutig.

00:11:40: Dann habe ich eine studienvorbereitende Ausbildung ...

00:11:42: im klassischen Musikbereich auch noch angefangen erstmal.

00:11:45: Dann nach eineinhalb Jahren die Aufnahmeprüfung in Mannheim

00:11:48: an der Jazz-Hochschule gemacht, das war dann ein Riesending.

00:11:51: Ich weiß noch genau, der Abend, an dem es hieß: Du kommst an die Schule

00:11:55: Das war auch noch genau die Musikhochschule, an die ich wollte.

00:11:58: 30 Musiker, 3 Plätze. Und dann war es Musik.

00:12:02: Hab dann ein paar Jahre später aber einfach meinen Jazz-Abschluss

00:12:06: geschafft und dann ein halbes Jahr Pause gemacht und bin dann an

00:12:09: an die Pop-Akademie nach Mannheim gegangen.

00:12:14: Das war der Türöffner für die Popmusik.

00:12:16: Wenn ich das Wort Pop-Akademie höre, dann denke ich an Pop-Sternchen.

00:12:23: Was genau unterscheidet denn eine Pop-Akademie ...

00:12:27: von einer klassischen Musikhochschule?

00:12:29: Kurz gesagt, dass es sich um Popmusik dreht.

00:12:33: Das Besondere ist, dass alle Bereiche der Popmusik-Branche ...

00:12:39: in einer Akademie ausgebildet werden.

00:12:41: Also, dass alle, die in diesem Pro- zess, Songs schreiben, produzieren

00:12:47: und vermarkten, in einer Akademie ausgebildet werden.

00:12:51: Man kann sich aussuchen, welche Fächer man belegt?

00:12:55: Du bewirbst dich entweder für ein Instrument oder als SongwriterIn

00:12:59: oder als Musik-Business Student oder als Produzent.

00:13:02: Das sind so die Studiengänge.

00:13:04: Und du hast dich beworben für ein Instrument?

00:13:06: Ich habe mich für Schlagzeug beworben.

00:13:08: Wie war für die die Ausbildung?

00:13:10: Für mich war das eine sehr aufregende Zeit.

00:13:15: Man ist sehr beeindruckt von dem, was die Pop-Akademie darstellt ...

00:13:19: und ausdrückt, man hat das Gefühl, einer von uns ist der nächste Star.

00:13:23: Irgendeiner muss es sein und alle wissen aber gar nicht,

00:13:26: wie man sich verhält oder was dann zu tun ist.

00:13:28: Man probiert irgendwas darzustellen, was oft sehr weit weg ist von dem,

00:13:32: was man eigentlich wirklich ist.

00:13:34: Obwohl du, was wirklich toll ist an der Pop-Akademie,

00:13:37: alles machen kannst, was du willst.

00:13:39: An der Jazz-Akademie ist es eher so: Du kommst da rein,

00:13:41: du hörst vielleicht gerne Pop, aber du hast schnell das Gefühl,

00:13:44: dass das minderwertige Musik ist.

00:13:46: Da wird musiktheoretisch abgeleitet, einfach so eine Hierarchie.

00:13:50: Je komplexer es ist, um so krasser und geiler und New York, die Helden.

00:13:54: Pop-Akademie ist: Scheißegal, ob du zwei Akkorde spielen kannst:

00:13:58: Entertain mich.

00:13:59: Und mit dieser Erkenntnis, wo bist du dann für dich angekommen?

00:14:05: Innerhalb der Pop-Akademie?

00:14:07: Was war deine Kunst, mit der du dann gearbeitet hast?

00:14:10: Ich hatte das Gefühl, dass ich während der Pop-Akademie Zeit ...

00:14:14: nur vollkommen auf der Suche war und ich war voll auf dem Holzweg.

00:14:19: Zum Masterabschluss musst du ein Projekt, musst du auf die Bühne,

00:14:23: musst ein Konzert spielen.

00:14:24: Ich hatte in Bands gespielt, mich aber in diesem Kontext ...

00:14:27: nicht so richtig wohlgefühlt, habe mich aufgerieben,

00:14:30: weil ich Popmusik schlagzeugerisch damals nicht auf dem Level war.

00:14:35: Ich war auf der Suche nach einem Master-Projekt.

00:14:38: Ich dachte, irgendein Singer- Songwriter aus der Akademie wäre es.

00:14:42: Irgendwann habe ich mit meinem besten Freund telefoniert,

00:14:44: und ich hatte in der Musikhoch- schulzeit schon immer Phantasien

00:14:48: und eigentlich hab ich gemerkt: Was war eigentlich der Grund,

00:14:51: warum ich Musik studieren wollte?

00:14:53: Ich habe gemerkt, es ist überhaupt gar nicht, dass ich morgen

00:14:56: bei Metallica spielen will, Session- oder Studio-Drummer sein will.

00:15:00: Eigentlich will ich Leute unterhal- ten auf der Bühne und Spaß machen.

00:15:03: Ich hatte elendig viel Helge Schnei- der gehört und System of a Down,

00:15:07: Bands, die wahnsinnig viel performt haben und dachte mir so:

00:15:10: Dachte immer: Warum macht ihr nicht eigentlich den größten Quatsch,

00:15:14: den man machen kann, wenn ihr doch die Bühne dafür habt?

00:15:17: Dann kam ich eben auf die Idee,

00:15:19: die ich schon in der Musikhochschule hatte.

00:15:24: Eine Band zu machen, wo alle MusikerInnen eine Figur ...

00:15:28: aus dem Kasperltheater sind.

00:15:30: Die hieß dann "Kasperles entzückendes Trulalabumbum".

00:15:33: Das war für mich wirklich die Befreiung,

00:15:35: wo ich dachte: Das fühlt sich einfach richtig an.

00:15:39: "Kasperles entzückendes Trulalabumbum",

00:15:42: wie das aussieht, schauen wir uns bei einem Ausschnitt an.

00:18:23: Du hast gerade gesagt, dass Helge Schneider dein Vorbild war.

00:18:29: Was genau von Helge Schneider ist es?

00:18:32: Ist es die Fähigkeit, diese ganzen Musikinstrumente zu beherrschen?

00:18:36: In Kombination mit der Albernheit?

00:18:38: Was mich bei Helge Schneider immer fasziniert, sein großer Verdienst,

00:18:42: die Kombination aus Virtuosität, ein Instrument wirklich beherrschen,

00:18:48: aber eben nicht die vorgestanzten Wege damit zu gehen,

00:18:54: die erwartet werden von dir.

00:18:55: Und jemand zu sehen, der dieses ganze Talent verwendet,

00:18:59: um einfach radikal den Scheiß zu machen, auf den er Bock hat ...

00:19:05: und das auch vermeintlich albern ist, aber trotzdem im Detail ...

00:19:08: überall Qualität steht.

00:19:09: In den Geschichten, die er erzählt, die er aus dem Stand erfindet,

00:19:12: in der Musik, die er macht und dass sich die Gesellschaft daran ...

00:19:15: auch so aufreibt, hat mir riesigen Spaß gemacht.

00:19:17: Gleichzeitig hatte ich diese Connection, dass ich immer von mir

00:19:21: dachte, ich bin albern und habe in meiner Welt, meinem Alltag,

00:19:24: auch als Jazz-Student, der nicht top-notch gewesen ist,

00:19:27: hab ich immer gedacht, ich bin ein- fach zu albern für das ganze Ding.

00:19:32: Irgendwann habe ich dann gemerkt: Ne, ich bin gar nicht zu albern.

00:19:37: Vielleicht steckt da ja auch eine Qualität drin.

00:19:39: Und wie war das Feedback, das du bekommen hast,

00:19:41: auf dein "Kasperles entzückendes Trulalabumbum"?

00:19:46: Das war gut! Es hat mich auf den Radar gespült.

00:19:51: Vorher war ich ein unter- durchschnittlicher Schlagzeuger,

00:19:54: an der Pop-Akademie, von dem, was von mir erwartet worden ist.

00:19:58: Ein bahnbrechendes Projekt gab es von mir auch nicht.

00:20:01: Mit dem Auftritt, der nur 20 Minuten ging,

00:20:05: war es auf einmal Gesprächsthema.

00:20:06: Aus dem "Kasperles entzückendem Trulalabumbum", wurde später ...

00:20:11: ein Solo-Projekt - wie lange hast du das dann fortgesetzt?

00:20:15: "Kasperles entzückendes Trulalabumbum war dann am Ende ...

00:20:18: für eine außenstehende Band mit 8 Leuten, wir hatten 7 MusikerInnen

00:20:23: und ein Schauspieler dabei -

00:20:25: Ich hatte meine Noten, da stand drin, was jeder machen muss,

00:20:28: aber ich musste für jedes Konzert immer jemanden finden,

00:20:30: einen Perkussionisten, der sich in ein Prinzessinnen-Kostüm reinpackt,

00:20:33: musste einen Zauberer finden, der irgendwie, einen Trompeter finden -

00:20:36: Die wachsen ja auch nicht auf den Bäumen.

00:20:38: Es war einfach - ich stehe morgens um 6 Uhr auf,

00:20:40: wenn wir einen Auftritt hatten und falle Mitternachts tot ins Bett.

00:20:45: Weil einfach die Requisiten, 24 Instrumente oder sowas,

00:20:48: die meisten habe ich selber mitge- bracht, das ganze Bühnenbild, alles.

00:20:52: Und die Kostüme! Es war zu anstrengend.

00:20:55: Nach dem Master-Abschluss haben wir ungefähr noch zwei, drei Konzerte

00:20:59: gespielt, dann ging es mir auch gesundheitlich nicht so gut.

00:21:01: Ich habe dann überlegt: Das muss doch effizienter gehen.

00:21:06: Was ist das Effizienteste? Solo zu spielen.

00:21:09: Ich hatte angefangen, Orgel und Schlagzeug gleichzeitig zu spielen.

00:21:12: Habe dann beschrieben, wie so ein Setup aussehen könnte.

00:21:14: Und das habe ich dann weitergeführt. Erst noch im Kasperle-Thema.

00:21:18: Später hat sich das vom Kasperle entfernt.

00:21:21: Du hast gerade nochmal die Gesundheit erwähnt.

00:21:24: Ich hab mich die ganze Zeit gefragt, wann ist für mich dieser Moment,

00:21:28: da nochmal nachzuhaken?

00:21:31: Wir sind keine medizinische Sendung, die eine Art Seelenstriptease macht.

00:21:39: Aber trotzdem habe ich mich die ganze Zeit gefragt -

00:21:42: Du hast ja schon mehrfach gesagt, dass du sehr krank warst.

00:21:45: Und auch viel in Krankenhäusern warst.

00:21:48: Und dann so ein extremes Studium, wie ging das unter einen Hut?

00:21:53: Man macht halt einfach weiter.

00:21:55: Mukoviszidose ist eine Krankheit, wenn du 5 bist,

00:21:58: merkst du gar nicht, dass du krank bist.

00:22:00: Du nimmst halt die ganze Zeit Pillen.

00:22:02: Leute machen sich die ganze Zeit Sorgen um dich.

00:22:04: Aber du rennst den ganzen Tag, in meinem Fall,

00:22:06: ich habe extrem viel Sport gemacht.

00:22:08: Und es wird einfach von Jahr zu Jahr schlechter.

00:22:12: Das Problem bei Mukoviszidose ist, kurz zur Erklärung,

00:22:16: die Körperflüssigkeiten sind dick- flüssiger als bei anderen Menschen.

00:22:20: Dadurch verschleimt die Lunge. Ein schleichender Prozess.

00:22:22: In dem das Leben langsam anstrengender wird.

00:22:25: Dann gab es, das war ungefähr der Zeitpunkt,

00:22:28: an dem wir uns kennenlernten,

00:22:34: ein Medikament, das in relativ kurzer Zeit dein Leben auf den Kopf

00:22:38: gestellt hat - zum Guten.

00:22:41: Zum Guten, zum Glück, ja. Los ging es ungefähr, 2017, 2016 oder 2015.

00:22:46: Es gab Vorgänger-Modelle von dem Medikament.

00:22:49: Was dann 2020 rausgekommen ist heißt Kaftrio.

00:22:53: Und die Vorgänger-Medikamente waren schon so, ich nahm das Erste,

00:22:57: da war ich in Theaterproben, ich schlafe bei jeder Probe ein,

00:23:01: nach zwei Stunden und dann habe ich an Silvester ...

00:23:03: das 1. Mal das Medikament genommen und ich konnte 4 Stunden durchhalten

00:23:09: Cool, aber ich bin immer noch komplett verschleimt,

00:23:11: meine Stimme ist immer noch völlig belegt.

00:23:13: Ich muss mich immer noch räuspern, wenn ich etwas sage, singen,

00:23:16: Töne treffen, schwierig, weil die Stimme immer verklebt ist.

00:23:19: Und dann kam am 16. September 2020 Kaftrio auf den Markt.

00:23:26: Das hat von heut auf morgen fast al- le Symptome, die ich bewusst spürte,

00:23:31: weggewischt.

00:23:34: Mit Mukoviszidose bekommt man jedes Mal gesagt: Nimm das mal.

00:23:37: Ist besser, wenn du es nimmst, aber du merkst gar nichts.

00:23:40: Bei dem habe ich nach 5 Stunden angefangen zu husten wie ein Wilder,

00:23:44: Lungenfunktion war ungefähr bei 80%.

00:23:47: Zwölf Stunden später habe ich aufgehört zu husten.

00:23:50: Ich habe damals eine Stunde am Tag inhaliert, habe nichts gerochen.

00:23:54: Ich hatte den ganzen Stress mit Einschlafen ...

00:23:57: und sich durch den Tag kämpfen.

00:23:59: Von heute auf morgen weggefegt.

00:24:01: Und wenn ich das richtig verstehe, dann ist ungefähr seit diesem Moment

00:24:07: Bist du jetzt quasi mit deinem privaten Solo-Projekt unterwegs.

00:24:11: Unter dem Titel "Ullamatombak".

00:24:13: Wie da ein Auftritt aussieht, schauen wir uns mal an.

00:25:01: Viele deiner Instrumente sind außergewöhnlich.

00:25:05: Dinge, die ich zuvor noch nie zuvor in meinem Leben gesehen habe.

00:25:10: Ist es so, dass du alles spielen kannst?

00:25:13: Man gibt dir ein Instrument, du pro- bierst 5 Minuten aus und kannst es?

00:25:17: - Nö. - Drei Minuten?

00:25:20: Genau, Sechs.

00:25:22: Ich kann ein bisschen Klavierspielen und in erster Linie Schlagzeug.

00:25:26: Es gibt viele Sachen, die Tasten haben.

00:25:31: Dann kann man auch ein bisschen damit umgehen.

00:25:33: Aber Gitarre kann ich zum Beispiel nicht spielen.

00:25:36: Wie würdest du deine Musikrichtung bezeichnen?

00:25:39: Es ist jetzt kein Harmonic Speed Metal.

00:25:45: Es ist schon sehr groovy, viele Klänge, die aus dem Jazz kommen.

00:25:49: Aus dem Blues.

00:25:50: Aber ich habe auch viel Spaß an Kinderliedern.

00:25:53: Das Genre hat bei mir eine untergeordnete Rolle.

00:25:57: Es ist eigentlich die Emotion, die mich reizt.

00:26:01: Wie wichtig ist dir dabei Kritik?

00:26:03: Ich stell mir vor, es ist leicht zu sagen, das ist doch Quatsch.

00:26:08: Kritik, da habe ich so ein - ich würde nicht sagen, dass ich sie mir

00:26:13: nicht zu Herzen nehme, aber es hängt stark davon ab, von wem sie kommt.

00:26:16: Applaus von anderen ist im Grunde nur eine Wertung von außen.

00:26:19: Da darf man sich nicht zu sehr davon abhängig machen.

00:26:22: Eine Tradition dieser Sendung ist, dass ich die Gäste bitte,

00:26:26: ein Mitbringsel mitzubringseln.

00:26:29: Von der Mitbring-Insel, der Insel des Mitbringens.

00:26:34: - Was hast du mitgebracht? - Ich habe dir viel mitgebracht.

00:26:37: - Viel? - Ja!

00:26:39: Zuerst habe ich natürlich unsere CD mitgebracht.

00:26:41: Die ist während der Pandemie entstanden.

00:26:44: Das ist die CD "Sprungkraft" und die kann man auch gegen eine Spende

00:26:49: von 15 Euro über unsere Website erwerben.

00:26:52: Weil ich ein Faible für japanische, für Instrumente habe,

00:26:56: habe ich eins von den Instrumenten mitgebracht.

00:26:58: Er hat die besondere Fähigkeit, dass er grüßt.

00:27:03: Und als Drittes: Du weißt ja, bin ich ein passionierter Brezel-Bäcker

00:27:08: und ich habe dir Brezeln gebacken.

00:27:10: Eine Kleine für dich, eine Große für mich.

00:27:12: Sehr cool!

00:27:13: Damit hat es aber noch etwas auf sich, weil ich finde,

00:27:16: wir brauchen Vorbilder - vor allem chronisch erkrankte Menschen.

00:27:20: Ich habe noch jemand im Fernsehen gesehen, der sich Insulin spritzt.

00:27:23: Und deswegen habe ich noch etwas dabei -

00:27:25: - Deine Insulinspritze? - Meine Insulinspritze!

00:27:28: Die trägt den sympathischen Namen Lumjew.

00:27:33: - Dann nimmt man sich so eine Wampe - Wenn man eine hat.

00:27:37: Nimmt die Spritze, piekt es sich da rein, wenn man zittert, umso besser.

00:27:42: Deckel wieder drauf und dann hat man es geschafft.

00:27:45: - Geil. - Geil, oder?

00:27:47: In diesem Sinne, danke, dass ihr auch dieses Mal wieder eingeschaltet

00:27:51: habt - bis zum nächsten Mal, wenn es wieder heißt:

00:27:54: "Krauthausen - face to face".

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