31. Sendung mit Felix Brückner zu Gast bei KRAUTHAUSEN – face to face
Shownotes
Zu Gast bei KRAUTHAUSEN - face to face: Felix Brückner, Musiker.
Der Sänger und Gitarrist gründete zusammen mit dem Schlagzeuger Justus die Band FHEELS, als beide an der Hamburger School of Music studierten und ihre ersten eigenen Kompositionen vorstellten.
Musik ist für Brückner das einzige Mittel, um dauerhafte, innere Zufriedenheit zu erreichen.
Mit Raul Krauthausen unterhält er sich über seinen Werdegang.
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00:00:00: Willkommen zu einer weiteren Folge von "Krauthausen - Face to Face".
00:00:04: Richtig nah von mir Zuhause, aus meiner Hood, im Refugio,
00:00:08: in Berlin Kreuzberg.
00:00:10: Und mein heutiger Gast ist Musiker und Aktivist.
00:00:14: Er setzt sich für barrierefreie Events ein, aber dazu später mehr.
00:00:19: Herzlich Willkommen, Felix Brückner!
00:00:33: Hallo Felix, schön, dass Du da bist!
00:00:36: Um jetzt mal gleich mit der Tür ins Haus zu fallen,
00:00:38: Du kannst eine Sache, die ich absolut nicht kann,
00:00:41: aber immer können wollte, nämlich singen.
00:00:45: Hallo! Freut mich, hier zu sein!
00:00:47: Und ja, ich kann einigermaßen singen, würde ich sagen.
00:00:50: Mit viel Training habe ich mich da hingebracht.
00:00:52: Wie bist Du auf die Idee gekommen, Sänger zu werden?
00:00:54: Das war eigentlich eine ganz romantische Geschichte.
00:00:57: Ich bin irgendwann im einzigen Probenraum im Dorf gelandet.
00:01:01: Von der einzigen Metalband im Dorf.
00:01:04: Und so wurde ich ein bisschen infiziert mit dem ...
00:01:07: "Ich möchte Musiker sein und werden".
00:01:09: Dann habe ich angefangen, auf der Akustik-Gitarre meiner Mutter
00:01:13: Metallica-Riffs zu spielen.
00:01:15: Und irgendwann kam die Stimme dazu, weil ich dachte,
00:01:17: so schlecht klingt sie nicht und wenn man etwas Arbeit reinsteckt,
00:01:20: könnte was draus werden.
00:01:21: - Und wo hast Du das gelernt? - An der Hamburg School of Music.
00:01:25: - Das gibt´s? - Ja.
00:01:26: Da macht man quasi eine Berufsausbildung ...
00:01:28: zum professionellen Jazz- und Popsänger.
00:01:30: Bei der Aufnahmeprüfung bin ich erstmal grandios gescheitert.
00:01:34: Weil ich nie vor Menschen gesungen habe ...
00:01:36: und dann habe ich vor der Prüfungs-Kommission gesessen,
00:01:38: und dann sollte ich eine Band anleiten, die mit mir spielt,
00:01:41: noch nie mit einer Band gesungen.
00:01:42: Das war also ein Riesen-Desaster.
00:01:45: Aber meine spätere Gesangslehrerin saß mit in der Jury und hat gesagt:
00:01:48: Das war jetzt nicht komplett schlecht, ich sehe da Potential.
00:01:53: Dann habe ich so ein Studiums-Vorbereitungsjahr gemacht.
00:01:55: Ich habe mich dann auch wirklich ein Jahr hingesetzt ...
00:01:58: und habe tagtäglich Übungen gemacht, Routine entwickelt ...
00:02:01: und war dann irgendwann an dem Punkt, weil ich auch mit Leuten
00:02:04: angefangen habe, Musik zu machen,
00:02:05: dass ich im Folgejahr die Aufnahmeprüfung geschafft habe.
00:02:08: Obwohl damals meine HNO-Ärztin gesagt hat:
00:02:12: Überleg Dir das, professionell zu singen, im Sitzen.
00:02:15: Bauchmuskulatur durch die Lähmung und die Medikamente schwer.
00:02:18: Deine Stimmlippen schließen nicht richtig. Überleg Dir das gut.
00:02:22: Umso stolzer bin ich, dass ich mittlerweile sagen kann,
00:02:25: ich habe eine Band, mit der ich deutschlandweit unterwegs bin.
00:02:28: Und einfach ein eigenes Album gemacht zu haben, das ist super!
00:02:32: Ich bin superstolz darauf.
00:02:33: Aber was hätte denn schiefgehen können?
00:02:35: Es hätte insofern schiefgehen können,
00:02:37: dass ich gar nicht in der Lage bin, über 90 Minuten zu singen.
00:02:40: Dass die Stimme nach 30, 40 Minuten sagt:
00:02:44: Okay Felix, das geht nicht mehr weiter.
00:02:47: Umso glücklicher bin ich, dass es funktioniert.
00:02:51: Mir war gar nicht klar, dass es ein Problem sein kann,
00:02:55: mit einem Querschnitt zu singen.
00:02:57: Ich habe nur gehört, dass im Sitzen singen grundsätzlich ...
00:03:00: schwieriger ist, weil man weniger Atemfreiheit hat.
00:03:04: Was für Herausforderungen gibt es da noch?
00:03:07: Genau, das ist eigentlich der Punkt:
00:03:08: Singen hat viel mit Körperspannung und Luftkontrolle zu tun.
00:03:13: Ich habe auch nicht gerade die gesündeste Sitzposition.
00:03:16: - Aber die Gechillteste! - Ja!
00:03:19: Das kann einfach zu Problemen führen.
00:03:21: Und zur schnelleren Beanspruchung der Stimmlippen.
00:03:25: Aber das geht glücklicherweise.
00:03:27: Ich habe eine Doku gesehen über Helene Fischer.
00:03:31: Dann dachte ich: Man muss die Kunst nicht mögen,
00:03:35: aber man hat verdammt nochmal Respekt vor dem Handwerk zu haben.
00:03:38: Weil die Dame ist ja eine Maschine. Die rockt da einfach was runter.
00:03:43: Und dann hatte die plötzlich eine Erkältung.
00:03:45: Das war ein Riesen-Versicherungs- drama und viel Geld involviert.
00:03:50: Was für ein Druck lastet auf einem, wenn Du in einer Band Sänger bist
00:03:55: und ohne Sänger geht die Band nicht?
00:03:59: Bei ihr steckt da ja noch was ganz anderes dahinter, rein finanziell.
00:04:04: Aber das ist einfach so.
00:04:05: Man hat kein Instrument, wo man eine neue Saite aufzieht ...
00:04:08: und dann funktioniert das wieder.
00:04:10: Wenn Du Probleme hast, wenn Du Dich schwach fühlst,
00:04:12: ist Deine Stimme auch schwach und wenn Du krank bist,
00:04:14: ist es auch gefährlich.
00:04:15: Dass Du Deine Stimmlippen beschädigst.
00:04:17: Und dass Du nachhaltig Probleme hast beim Singen.
00:04:20: Wie achtest Du denn auf Deine Stimme?
00:04:22: Beispielsweise habe ich aufgehört zu rauchen.
00:04:24: Aber dann geht doch das Rauchige verloren.
00:04:26: Das stimmt, aber das beansprucht die Stimmlippen, macht sie trocken.
00:04:30: Und trockene Stimmlippen, das will niemand.
00:04:32: Zum Beispiel versuche ich vor Konzerten, warm zu trinken.
00:04:37: Man macht immer Stimmübungen zum Warm-Up.
00:04:39: - Mimi, Mimi Mi! - Ja, genau!
00:04:41: Oder die Lippen vibrieren lassen. Solche Sachen.
00:04:44: Um dafür zu sorgen, dass die Stimme, gerade, wenn man mehrere Konzerte
00:04:48: spielt hintereinander, am Ende der Woche noch funktioniert.
00:04:51: Jetzt haben wir dem Publikum noch gar nicht erzählt,
00:04:53: wie Deine Band heißt.
00:04:55: - Sie nennt sich FHEELS. - Genau.
00:04:57: Und Ihr hattet auch die Gelegenheit, nach der schweren Corona-Zeit ...
00:05:02: wieder vor Publikum zu spielen.
00:05:05: Wie das aussieht, das sehen wir uns mal in einem Ausschnitt an.
00:05:13: # Take me, release me, set me free. #
00:05:29: # I'm chasing, the essence and balance of my, of my existence. #
00:05:45: # I'm chasing, the essence and balance of my, of my existence. #
00:06:16: # Take me, release me, set me free. #
00:07:18: Das war die Band FHEELS mit dem Song "Dark Waters" live in Nürnberg.
00:07:23: Hat mich beeindruckt.
00:07:26: War das für Dich irgendwie ein ganz besonderer Auftritt?
00:07:29: So nach Corona? Oder ist es einer von Vielen?
00:07:32: Definitiv war das ein Besonderer, weil das auch ein Konzert war ...
00:07:37: von nur Vier, die wir spielen konn- ten, mit Blick auf das neue Album.
00:07:41: Schön war auch, dass der Laden ausverkauft war.
00:07:45: Das war wieder sehr aufregend nach der Corona-Zeit.
00:07:48: So viele Monate ohne live zu spie- len, wieder auf der Bühne zu sein.
00:07:51: Umso schöner ist es, wenn es gut gelaufen ist.
00:07:53: Wie entstehen denn die Songs, die Ihr macht?
00:07:56: Meistens setze ich mich mit der Gitarre hin und spiele drauf los.
00:08:01: Und dann kommt irgendwas, was ich cool finde.
00:08:04: Dann schraube ich daran rum, bis ich eine konkrete Idee habe ...
00:08:07: und dann nehme ich die mit in den Probenraum.
00:08:09: So war es zumindest in der Vergangenheit häufig.
00:08:11: Für die nächste Platte machen wir es so, dass wir wirklich alles
00:08:15: komplett zusammen im Probenraum schreiben.
00:08:17: Das heißt, wir treffen uns,
00:08:19: jemand bringt eine Idee mit oder wir entwickeln eine Idee.
00:08:21: Und dann ist es wirklich so ganz romantisch jeder spielt dazu ...
00:08:25: und wir gucken, ob wir es cool finden oder nicht.
00:08:27: Und dann entsteht irgendwas.
00:08:29: Habt Ihr erst den Text oder erst die Melodie?
00:08:31: Meistens tatsächlich erst das Instrumentalstück.
00:08:35: So schreibe ich für gewöhnlich meine Melodien und Texte.
00:08:38: Aber es geht auch andersherum. Das wird auch oft gemacht.
00:08:42: Warum sind Songs eigentlich immer über die Liebe?
00:08:44: Ich werde oft gefragt, ob meine Songs ausschließlich ...
00:08:47: über meine Behinderung gespielt werden.
00:08:49: Aber dann haben sie die ja nicht gehört.
00:08:51: Ja, das stimmt.
00:08:52: Dann sage ich, dass meine Behinderung nicht verhindert,
00:08:55: dass ich mich nicht auch für ganz normale Dinge interessiere.
00:08:59: Und ich Dinge tue und mich Dinge bewegen, die in den Texten landen.
00:09:03: Bist Du der Einzige bei Euch in der Band, der die Texte schreibt?
00:09:07: - Oder? - Ja.
00:09:09: Mir ist wichtig, dass die Dinge, die ich singe,
00:09:13: mit mir selbst zu tun haben.
00:09:14: Ein Stück weit aus meiner Persönlichkeit herauskommen,
00:09:17: weil es mir dann auch viel leichter fällt, die Emotionen dazu ...
00:09:20: auf der Bühne rüberzubringen.
00:09:21: Grundsätzlich ist das auch bei den Aufnahmen wichtig.
00:09:23: Wenn jetzt plötzlich einer den Knaller-Text schreiben würde ...
00:09:27: und der würde mich voll ansprechen, wäre ich nicht so stolz,
00:09:30: dass ich ihn ablehnen würde - soweit geht es dann nicht.
00:09:33: Aber bisher habe ich die Texte noch allein geschrieben.
00:09:37: Weil Du der Sänger bist oder weil das Team sagt,
00:09:40: das kannst Du am besten?
00:09:42: Ich weiß gar nicht, ob ich am besten texten kann.
00:09:45: Aber irgendwie ist es so mit meiner Berufung zum Sänger geworden.
00:09:49: Dass es irgendwie erwartet wurde, dass ich die Texte schreibe.
00:09:53: Du hast gesagt, dass die Texte mit Dir zu tun haben müssen.
00:09:57: Haben sie dann doch mal mit der Behinderung zu tun?
00:10:00: Die Behinderung ist schon auch Thema, aber ich würde nie sagen,
00:10:04: dass es das bestimmende Thema ist.
00:10:07: Sondern auch Erfahrungen, die man gemacht hat.
00:10:10: Auch im Hinblick auf Frauen, wie die auf die Behinderung reagiert haben.
00:10:14: Es gab mal den Fall, dass eine Frau an mir interessiert war
00:10:18: sie startete das Gespräch mit der Frage, ob das für immer ist.
00:10:22: Ich habe gesagt, ja, das ist voraussichtlich für immer ...
00:10:24: damit war das Gespräch auch schon beendet.
00:10:26: Das sind dann Erfahrungen, die ich in Songtexten aufgreife.
00:10:32: Wenn ihr jetzt alles selber macht, Social Media, Albumproduktion,
00:10:36: heißt das, Ihr kommt komplett ohne Management aus?
00:10:40: Wir haben ein Label.
00:10:42: Was ist ein Label? Ist das wie ein Verlag, bei einem Buch?
00:10:46: Die kümmern sich um einen, knüpfen Kontakte zu Vertrieben,
00:10:51: leiten dann zusammen den Vertrieb.
00:10:54: Bei uns ist es ein kleines Indie- Label und wir haben Ansprechpartner,
00:11:00: die uns auf eine gewisse Art und Weise ein bisschen coachen,
00:11:04: Tipps geben, uns auf die Füße treten,
00:11:06: wenn wir mal wieder zu wenig Social Media Aktivität zeigen.
00:11:09: Sie stellen auch das Bindeglied ins Business dar.
00:11:14: Eure Band heißt FHEELS. F-H-E-E-L-S.
00:11:20: Was bedeutet das? Ist das eine Mischung aus feeling, wheels?
00:11:24: Exakt!
00:11:26: Es ist die Verbindung aus feel und aus wheels.
00:11:31: Irgendwann kam ich mit dem Vorschlag um die Ecke.
00:11:35: Bandnamen zu finden, ist eh immer so ein kurioses Ding.
00:11:38: Im Endeffekt nimmt man dann den am wenigsten Bescheuerten.
00:11:43: Der macht auch noch irgendwie Sinn. Den gibt es noch nicht.
00:11:49: Wir haben vorhin schon über Auf- regung und Lampenfieber gesprochen.
00:11:53: Hast Du Tipps, wie Du damit umgehst?
00:11:57: Ich brauche vor dem Auftritt meine Ruhe.
00:12:01: Ich ziehe mich zurück.
00:12:03: Meine Bandkollegen sind dann noch im Publikumsbereich und schnacken.
00:12:07: Ich bin im Backstagebereich und brauche meine Ruhe.
00:12:10: Allein, ohne Band?
00:12:11: Die können schon reinkommen, ist alles gut, aber ich mag die Ruhe.
00:12:16: Gleichzeitig mache ich Warm-Up Übungen.
00:12:20: Kreise mit den Armen und dem Kopf.
00:12:22: Ein bisschen körperliche Aktivität hilft mir,
00:12:24: um die Nervosität zu verlieren.
00:12:28: Dann hilft mir die Erfahrung gemacht zu haben, dass es gut war.
00:12:32: Die Erfahrung gibt ein Stückweit Ruhe.
00:12:36: Wenn Du jetzt zwölf Auftritte hattest oder mehr, gibt es sowas wie
00:12:43: Groupies und Fans, die Autogramme wollen und so?
00:12:48: Ja, die gibt es tatsächlich.
00:12:50: Dieser Bühneneffekt macht auch vor Menschen mit Behinderung ...
00:12:53: nicht Halt.
00:12:54: - Zum Glück! - Ja, voll!
00:12:55: Das spricht auch dafür, wie normal Dinge werden können,
00:12:59: wenn das ein normaleres Bild wird.
00:13:01: Das gibt es tatsächlich.
00:13:03: Bei uns in einem sehr überschauen Maß.
00:13:07: Ich war neulich auf einer Veranstaltung, da hieß es:
00:13:09: Wir sind der Raul Krauthausen Fanclub.
00:13:12: Ich so: Was?
00:13:14: So was gibt es? Seid Ihr verrückt? Hört auf damit!
00:13:18: Gibt es einen Felix-Fanclub oder Autogrammkarten?
00:13:21: Bisher nicht!
00:13:23: Es gibt einzelne Fans, die tatsächlich weiterreisen,
00:13:27: als wir das erwartet hätten.
00:13:29: Wenn wir beispielsweise in Berlin spielen, kommen sie aus Hamburg.
00:13:32: - Irgendwie ist das schön. - Ja.
00:13:34: Dass man mit der eigenen Musik so berühren konnte,
00:13:37: dass Leute bereit sind, vier Stunden Auto zu fahren,
00:13:41: um sich ein Konzert anzugucken.
00:13:42: Eine andere Sache, die oft zum Musik-Business dazugehört,
00:13:47: ist Video-Clips machen.
00:13:49: Wie ist da bei Euch der Prozess der Kreation?
00:13:52: Sehr unterschiedlich.
00:13:55: Oftmals brainstormed man dann und überlegt: Was passt bildlich dazu?
00:13:59: Was kommt im Text vor? Was kann man aus dem Text aufgreifen?
00:14:02: Macht man ein Video unabhängig vom Text?
00:14:05: Dann kommt meistens eine Idee.
00:14:06: Wenn die Idee da ist, dann geht es von da aus, genauso wie beim Song,
00:14:09: eigentlich auch ins Drehbuchschreiben.
00:14:14: Und dann kennt man Videografen, also Kameraleute,
00:14:17: die das professionell machen oder macht Ihr das selbst mit dem Handy?
00:14:20: Sowohl als auch. Wir haben schon Videos gedreht nur mit dem iPhone.
00:14:25: Da sind auch schon schöne Sachen entstanden.
00:14:27: Aber natürlich mit Blick auf professionelle Produktion von Videos
00:14:30: und die Konkurrenz da draußen, muss man einfach schauen,
00:14:33: dass man sich ein paar Profis an Bord holt.
00:14:35: Aber die kriegen dann oft das Drehbuch von uns.
00:14:37: Dann geht es quasi darum, dass die sagen, wie weit man es umsetzen kann
00:14:41: was wir uns vorgestellt haben.
00:14:42: Ihr habt einen wirklich sehr bewegenden Clip gedreht,
00:14:47: damals, als der rauskam, habe ich ihn sofort gesehen ...
00:14:50: und dachte mir: Eigentlich eine geile Nummer!
00:14:52: Und der Song heißt "Sharp dressed animal".
00:14:55: Und das Video ist, würde ich sagen, ganz schön heiß.
00:14:59: Es ist bewusst erotisch gedreht worden.
00:15:02: Weil es mir persönlich ein Anliegen war,
00:15:05: meinen Körper, als Mensch mit Behinderung, der anders aussieht,
00:15:08: aber für mich ganz normal ist und eigentlich auch ...
00:15:11: zur Normalität der Vielfältigkeit da draußen gehört,
00:15:15: dass ich den zeigen möchte.
00:15:17: Und weil es grundsätzlich um Sexualität in den Lyrics geht.
00:15:20: Und ein bisschen die Auseinander setzung mit meiner Männlichkeit.
00:15:22: Und dass die, obwohl man es von außen gerne unterstellt,
00:15:26: nicht anders ist.
00:15:27: Und zuweilen auch toxisch ist, wie bei nichtbehinderten Männern auch.
00:15:30: Ich mich dazu entschlossen habe, bewusst erotische Szenen zu drehen.
00:15:34: Und das trotzdem auf eine ästhetische Art und Weise zu machen,
00:15:38: aber auch einfach den Leuten Bilder zu zeigen,
00:15:40: die in unserem Instagram, TikTok Bilderbuch,
00:15:45: Welt, Illusion, da draußen oft nicht zu sehen ist.
00:15:49: Deswegen war es mir wichtig, das so zu tun.
00:15:51: Es war eine große Überwindung, weil es nicht meine Partnerin war.
00:15:54: Du dachtest ja, es war meine Partnerin.
00:15:56: Sondern eine professionelle Schauspielerin,
00:15:58: die ich an dem Tag zum ersten Mal gesehen habe.
00:16:01: Aber da sie so professionell war, durch zwei, drei Übungen ...
00:16:05: sehr viel Nähe zwischen uns geschaffen hat, weniger Distanz.
00:16:10: Und dann im ersten Take relativ schnell die Berührungspunkte ...
00:16:12: genommen hat, weil sie vorgeschrie- ben hat, in welche Richtung es geht
00:16:17: und bis zu welchem Punkt es geht.
00:16:19: Es war zwar vorher abgesprochen, aber trotzdem,
00:16:21: wenn dann eine halbnackte Frau auf Deinem Schoss sitzt,
00:16:24: war mir das Wichtigste, dass sie sich wohlfühlt.
00:16:26: Sie hat die Maßstäbe gesetzt, bis zu welchem Punkt ich gehe, gehen darf.
00:16:31: Dadurch war das eine ganz schöne Sache.
00:16:34: Vor der ich sehr aufgeregt war und mich viel Überwindung gekostet hat,
00:16:38: weil ich jetzt auch nicht der Typ bin,
00:16:40: der mit meiner Nacktheit so öffentlich umgeht.
00:16:42: Aber mir war es trotzdem wichtig, ein Zeichen zu setzen,
00:16:44: in dem überschaubaren Rahmen, den ich habe.
00:16:47: Oder den wir als Band haben.
00:16:48: Und wie der Clip aussieht, schauen wir uns mal an.
00:16:52: # It gets immoral in my head, your naked body, on my lap, #
00:17:00: # I grab your waist, your breath moves fast, #
00:17:03: # your heart is rushing, your cheeks are red. #
00:17:07: # My skin is yours now, breathe in breathe out, #
00:17:11: # your smell, your taste on my mouth, #
00:17:15: # you can see me now, my inside is out, #
00:17:18: # you’re submissive and I´m fucking aroused. #
00:17:28: # I, I´m nothing more, than a sharp dressed animal. #
00:17:44: # I, I´m nothing more, than a sharp dressed animal. #
00:17:56: Ich frage mich immer: Wenn man Sex im Fernsehen sieht,
00:17:58: auf Filmen oder in Clips, das ist wahrscheinlich eher Arbeit,
00:18:04: als sinnlich.
00:18:08: Ja, es war so rein mental zu einem Zeitpunkt erregend.
00:18:11: Dass man sexuell gedacht hat, oder so.
00:18:15: Es war aufregend, gerade die ersten Takes,
00:18:19: aber wenn man mal so zehn Takes gemacht hat,
00:18:23: dann wird es Arbeit,
00:18:28: es ist ja auch ein stückweit Schau- spiel, das wieder hinzubekommen,
00:18:31: wie in den ersten Takes, als es noch ganz aufregend war.
00:18:34: Am Ende war es sehr anstrengend.
00:18:37: Und wie unangenehm war es, dass die ganze Crew mit im Raum war?
00:18:43: Das ist natürlich auch nochmal ein Punkt, auf jeden Fall.
00:18:46: Aber wir haben versucht, es so klein wie möglich zu halten.
00:18:49: Wir hatten einen Kameramann dabei, einen Tonmann.
00:18:52: Mir war wichtig, dass noch eine zweite Frau mit am Set ist.
00:18:55: Und Laura quasi nicht allein ist.
00:18:58: Und so war es ein kleines Team und so war es okay.
00:19:02: Aber trotzdem: Überwindung und sehr aufregend.
00:19:05: Ich habe Eingangs gesagt, dass Du nicht nur Musiker bist.
00:19:09: Sondern Dich auch engagierst bei der Initiative "Barrierefrei feiern"
00:19:16: Da beratet Ihr Festivals, Konzert- veranstaltungen und so weiter.
00:19:21: Im Sinne von Barrierefreiheit. Wie geht Ihr vor?
00:19:26: Erstmal sind alle unsere Berater- Innen Menschen mit Behinderungen.
00:19:31: Weil es uns einfach extrem wichtig ist,
00:19:33: dass wir ExpertInnen in eigener Sache sind.
00:19:36: Die auch tagtäglich mit der Behin- derung in der Kultur unterwegs sind.
00:19:40: Das ist die absolute Grundlage.
00:19:42: Genauso, wie die absolute Grundlage ist, dass alle unsere ExpertInnen
00:19:45: dafür bezahlt werden, dass wir nicht ehrenamtlich sind.
00:19:48: Dass wir uns wirklich gut bezahlen lassen.
00:19:52: Das war ein Anspruch von Beginn an.
00:19:56: Dann ist es erstmal Sensibilisierung und Aufklärung.
00:19:58: Erstmal aufzuzeigen, wie sieht es denn da draußen überhaupt aus.
00:20:01: Was ist unsere Realität? Auf was für Hürden treffen wir?
00:20:04: Was bedeutet für uns, uns vielleicht das erste Mal-
00:20:07: Und das war auch für mich die Initialzündung,
00:20:10: zum ersten Mal auf einer Veranstaltung zu sein,
00:20:12: wo ich das Gefühl habe, ich muss mir keine Gedanken machen.
00:20:15: Ich muss mir keine Gedanken machen, dass ich auf die Toilette komme.
00:20:18: Oder dass ich in die Konzert- Location komme und gut sehen kann.
00:20:22: Das war für mich so ein Aha-Moment, wo ich sage:
00:20:24: Ich will nicht mehr da draußen unterwegs sein und mich anpassen.
00:20:27: Das war viele Jahre so.
00:20:29: Es geht anders, wenn man sich damit auseinandersetzt.
00:20:32: So bin ich zu der Initiative gekommen.
00:20:34: So haben wir das aufgebaut und beraten jetzt deutschlandweit,
00:20:37: schon mit Fokus auf dem popkulturellen Bereich,
00:20:40: Veranstaltende, Festivals und Organisationen.
00:20:43: Konzentriert Ihr Euch vor allem auf ...
00:20:46: das Publikum mit Behinderung?
00:20:48: Du bist ja auch Künstler mit Behinderung.
00:20:50: Das heißt, barrierefreie Bühnen und Backstage-Bereiche ...
00:20:55: ist ja auch nochmal eine Nummer, die sehr oft vergessen wird.
00:20:58: Das muss man auch ganz klar sagen:
00:21:00: Wenn ich mir rausnehmen würde, in barrierefreien Locations zu spielen,
00:21:04: dann würde ich einfach gar nicht mehr spielen.
00:21:06: Oder zwei Konzerte im Jahr.
00:21:07: Gerade mit Blick auf die Locations, wo wir spielen.
00:21:10: Wir sagen immer: Wir denken barrie- refrei nicht nur vor der Bühne,
00:21:13: sondern auch auf und hinter der Bühne.
00:21:16: Im besten Fall holt man sich halt diese Expertise,
00:21:18: die es da draußen zur Genüge gibt,
00:21:20: ins Team und dann hat man halt die Perspektiven tagtäglich ...
00:21:23: in Planungsprozessen mit drin.
00:21:26: Dann laufen die Dinge einfach viel besser ...
00:21:28: und wir kommen irgendwann zu gleichberechtigten Zugängen ...
00:21:31: für Menschen mit Behinderungen, mit Blick auf Veranstaltungen.
00:21:34: Die "Initiative barrierefrei feiern", für die Du arbeitest,
00:21:38: die haben auch das Puls-Open-Air in Kaltenberg beraten.
00:21:43: Wie das aussieht, sehen wir uns jetzt in dem Clip an ...
00:21:46: und was danach geschah, erzählen wir dann.
00:21:53: Im ersten Jahr gab es gar keine Absperrung.
00:21:55: Dann haben wir mit Flatterband improvisiert.
00:21:59: Die Gitter habt Ihr jetzt quasi nach unten gestellt?
00:22:01: Dass die Begleitpersonen, wenn sie dabei sind,
00:22:04: entweder hinsetzen können, bzw. sich davorstellen können?
00:22:06: Ja, richtig.
00:22:08: Gut, ich bin jetzt sehr klein. Stell Dir vor, ich stehe so.
00:22:11: Jeder Rollstuhlnutzende kennt das Phänomen.
00:22:14: Wir bieten einen mobilen Gästeservice für BesucherInnen ...
00:22:17: mit Behinderung an.
00:22:18: Ich bin ja auch selbst im Rollstuhl.
00:22:20: Uns geht es darum, dass auch Menschen mit Behinderung
00:22:22: das Gelände prüfen und helfen, das Ganze barrierefreier zu machen.
00:22:26: Dass Menschen mit Behinderung sich genauso sicher fühlen ...
00:22:30: und wohlfühlen können.
00:22:31: Das ist die Scheune für die Evakuierung.
00:22:36: Wenn es zu Unwetterwarnungen kommt.
00:22:38: - Aber nur der mittlere Bereich? - Genau.
00:22:41: Es ist wichtig, dass wir unseren BesucherInnen mit Behinderung ...
00:22:45: rechtzeitig kommunizieren, wo sie bei einem Unwetter hinsollen.
00:22:48: Man kann ja proaktiv auf sie zugehen, wenn man sie sieht.
00:23:03: Wir stehen hier vor einer von fünf barrierefreien Toiletten.
00:23:07: Toiletten sind natürlich immer extrem wichtig ...
00:23:10: für das Sicher- und Wohlfühlen auf Festivals.
00:23:12: Deswegen legen wir da besonderen Wert drauf.
00:23:25: Das ist der Meeting-Point, aber der wird noch ausgestattet werden.
00:23:29: Hier gibt es alle Informationen, die irgendetwas mit Barrierefreiheit
00:23:33: zu tun haben aus erster Hand bei uns.
00:23:40: Ich weiß gar nicht, ob sich die ZuschauerInnen daran erinnern,
00:23:44: aber dieses Festival hat nicht stattgefunden.
00:23:47: Und es lag nicht an Corona. Vielleicht indirekt an Corona.
00:23:51: Wenn ich mich richtig erinnere, lag es daran,
00:23:54: dass die Firma, die für die Security zuständig war,
00:23:58: nicht genug Personal auftreiben konnte,
00:24:02: um diese Veranstaltung zu sichern.
00:24:03: Und dann die VeranstalterInnen das absagen mussten,
00:24:07: weil die Sicherheit nicht gewährleistet werden konnte.
00:24:10: Das habe ich noch nie gehört.
00:24:12: Das haben viele Menschen noch nie gehört.
00:24:14: Deswegen war das Verständnis über- schaubar von Seiten der Besucher.
00:24:18: Wir haben versucht, die Leute zu deeskalieren.
00:24:22: Und Verständnis zu erzeugen. Das war schon traurig.
00:24:25: Weil so eine Planung mit Blick auf das Inklusionskonzept,
00:24:28: so ein Awareness-Konzept sehr viel Arbeit bedeutet.
00:24:31: Und das Puls-Open-Air schon seit vielen Jahren gute Arbeit leistet.
00:24:34: Und wir uns da von Jahr zu Jahr verbessern.
00:24:36: Ist traurig, wenn alles, was man sich so ausgemalt hat ...
00:24:40: umgesetzt hat und machen wollte, ins Wasser fällt.
00:24:43: Das ist echt krass.
00:24:44: Aber Corona war auch für Euch eine schwere Zeit.
00:24:47: Überhaupt für die Kunst- und Kulturbranche.
00:24:49: Definitiv. Für mich als Nachwuchs- Musiker ist es fatal gewesen.
00:24:55: Muss man einfach so sagen.
00:24:56: Ohne Fördermittel hätten wir das Album gar nicht machen können.
00:24:59: Weil uns komplett unsere Einnahmen durch Merch und Live-Spielen ...
00:25:03: weggefallen ist.
00:25:04: Jetzt ist das Problem, dass die ganzen Konzerte von Jahr zu Jahr
00:25:08: geschoben wurden, auch die ganzen Touren.
00:25:12: Man hat kaum Raum, noch irgendwo zu spielen.
00:25:14: Dazu kommt, dass es auch Zurückhaltung gibt,
00:25:17: eine Band, mit einem Sänger im Rollstuhl zu buchen.
00:25:20: Weil die Leute auch ein schlechtes Gewissen haben,
00:25:23: wenn der Club nicht barrierefrei ist.
00:25:26: Aber wir haben immer eine Möglich- keit gefunden, damit umzugehen.
00:25:30: Wir wollen spielen, wir wollen uns zeigen.
00:25:33: Ich wurde vor kurzem gefragt, warum ich mir das antue?
00:25:37: Ich habe geantwortet: Ich will das einfach so.
00:25:40: Ich habe ja die These, dass wir mit Freiwilligkeit nicht weiterkommen.
00:25:43: Irgendwann brauchen wir Gesetze.
00:25:46: Ohne Zweifel, da bin ich komplett bei Dir.
00:25:49: Sonst dauert das viel zu lange, wenn wir auf die Bereitschaft ...
00:25:52: von allen warten, dauert es viel zu lange.
00:25:55: Aber es muss auch geprüft und sanktioniert werden.
00:25:58: Aber man muss auch unterstützen.
00:26:00: Man muss den Club-BetreiberInnen helfen,
00:26:03: weil denen geht es teilweise auch richtig mies.
00:26:05: Gerade wenn wir darüber sprechen, infrastrukturelle Dinge zu ändern,
00:26:09: dann brauchen die einfach auch Geld.
00:26:10: Und so etwas wie Denkmalschutz, ich kann es nicht mehr hören.
00:26:14: Wenn wir da 2022 noch drüber diskutieren müssen,
00:26:17: ob man Denkmalschutz über die Zu- gänglichkeit setzt, da ist einfach-
00:26:23: - Ja, fühl ich. - Da ist wirklich.
00:26:26: Ein wiederkehrendes Element dieser Sendung ist,
00:26:28: dass ich meine Gäste frage, ob sie ein Mitbringsel mitbringseln wollen.
00:26:33: Was hast Du mir denn mitgebringselt?
00:26:35: Es wird nicht besonders überraschend sein,
00:26:37: aber es liegt mir sehr am Herzen.
00:26:39: Ich hab mir selbst gesagt, wie stolz ich darauf bin, deswegen habe ich
00:26:44: eine Vinyl mitgebracht von unserem Album.
00:26:47: Die Frage ist natürlich jetzt: Hast Du einen Plattenspieler?
00:26:50: Noch nicht.
00:26:52: - Dann ist es höchste Zeit. - Okay.
00:26:55: Ich habe aber auch noch eine CD dabei.
00:26:57: - Aber das ist wohl auch schwierig? - Genauso selten. Genau.
00:27:02: Aber wie kommt man dazu, eine Platte zu machen?
00:27:04: Das Cover gefällt mir übrigens sehr.
00:27:06: Es zeigt sich, dass die Leute wieder Bock auf Vinyl haben.
00:27:10: Das ist halt das Schöne daran. Das ist auch ein großes Stück Kunst.
00:27:17: Das verkauft sich einfach gut, unter den Musikfans.
00:27:20: Deswegen haben wir ganze sechs Monate auf diese Platte gewartet,
00:27:24: weil die Rohstoffe für die Platte so enorm teuer ...
00:27:28: und selten geworden sind, zum aktuellen Zeitpunkt.
00:27:30: - Die habe ich Dir also mitgebracht. - Vielen, vielen Dank!
00:27:33: Ich nehme an, die darf ich behalten?
00:27:35: Natürlich.
00:27:37: Ich hätte noch so viele Fragen gehabt.
00:27:38: Vielleicht machen wir es ein zweites Mal?
00:27:40: Sehr gerne, mit dem größten Ver- gnügen! Hat mir viel Spaß gemacht.
00:27:44: Schön, dass Du da warst. Vielen Dank.
00:27:46: Danke für die Einladung.
00:27:47: Danke, dass Ihr auch diesmal wieder eingeschaltet habt.
00:27:49: Bis zum nächsten Mal.
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